Finger, Hut und Teufelsbrut
die sanfte Rundung ihrer Hüfte.
Zugegeben, nach Schwangerschaft und Geburt fiel die Hüftrundung etwas üppiger aus, aber sie schien ihm auf botticellinische Art venusgleich, und es war ganz ehrlich kein Klischee, wenn er fand, dass es nun umso mehr von ihr gab, das er lieben konnte. Warum nur glaubte sie ihm das nicht?
Olaf konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten. Und dabei hatten sie es immer so schön miteinander gehabt. Gemeinsam hatten sie Dinge ausprobiert, die er nie für möglich gehalten hätte. Kamasutrastellungen. Tantrasitzungen. Rollenspiele. Bevor er Susanne kennenlernte, war ihm die Antarktis vertrauter gewesen als sein eigener Körper. Das hatte sie geändert.
»O Susanne«, wisperte er verlangend.
Sie rührte sich. Olaf krallte sich in das Bettgestell, um nicht wieder in hohem Bogen durch das Schlafzimmer zu segeln. Seine Schulter schmerzte immer noch.
Doch Susanne drehte sich nur um und sah ihn an.
Das dunstige Morgenlicht tauchte ihre Körper in milchige Verschwommenheit, wie die Softfocus-Funktion in einem Photoshop-Programm. Olaf lächelte. Susanne lächelte auch. Sie fühlte sich geliebt, geborgen, begehrt. Und in diesem diffusen Licht auch halbwegs ansehnlich. Alles war wieder gut.
»Komm her, du«, raunte sie Olaf zu und zog ihn auf sich.
Olaf stöhnte beseelt, bedeckte das Gesicht seiner Frau mit Küssen und tauchte, immer noch küssend, entlang ihres Körpers in dunkel lockende Tiefen ab.
Susanne stöhnte verzückt.
Die Glückseligkeit, diese paradiesische Glückseligkeit, wenn zwei Menschen, die füreinander bestimmt waren, kurz davorstanden, ein Fleisch zu werden.
Doch plötzlich …
Lärm!
Nein, es war nicht Ola-Sanne. Die schlief friedlich in ihrem Bettchen. Dafür klingelte es ohne Unterlass an der Haustür. Der Paketbote? Ein Zeuge Jehovas? Die Feuerwehr, weil ihr Haus in Flammen stand?
Olaf war das völlig egal. »Der geht schon wieder«, murmelte er unter der Decke.
»Geh nachsehen«, verlangte Susanne und schob ihn liebevoll, aber nachdrücklich von sich.
Olaf tat wie ihm geheißen, doch innerlich kochte er. Ja, Olaf war Pazifist. Er war nicht zum Vegetarier geworden, weil er den Tieren eins auswischen und ihnen das Futter wegessen wollte, sondern weil er aus tiefstem Herzen mit allen Lebewesen auf der Erde mitfühlte. Er hasste Gewalt in jedweder Form. Aus tiefster Seele.
Es muss aber gesagt werden, dass er – als er gleich darauf in Susannes weißem Flauschemorgenmantel zur Tür stapfte – böse, ja blutrünstige Gedanken hegte. Einen Pazifisten mitten im Liebesakt zu stören ist gewissermaßen der Litmus-Test seiner Friedfertigkeit. Und Olaf hätte ihn zweifelsohne nicht bestanden. Die Linke zur Faust geballt, riss er die Haustür auf. » WAS ?«, verlangte er donnernd zu wissen und kühlte auch dann nicht ab, als er sah, dass zwei Polizisten in Uniform vor ihm standen.
»Herr Schmüller?«
» JA ! WAS IST ?«
Die Polizisten warfen sich einen bedeutungsschweren Blick zu.
»Wer ist es, Schatz?«, rief Susanne aus dem Schlafzimmer.
Der ältere Beamte streckte Olaf ein Foto entgegen, auf dem ein Pferdeschwanzträger zu sehen war, mit Doppel-Veilchen und offener Stirnwunde.
»Das Bild ist grobkörnig, es wurde mit einem Handy aufgenommen, aber Sie sind zweifelsfrei zu erkennen. Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass womöglich ein Fall von häuslicher Gewalt vorliegt. Herr Schmüller, wir wollen Ihnen helfen. Dürfen wir hereinkommen?«
Susanne erschien im Flur. Sie hatte sich eine Jogginghose und ein Top übergestreift und sah mit ihrem zerstrubbelten Haar unglaublich süß und harmlos aus.
»Guten Morgen, meine Herren. Ist etwas passiert?«
Der jüngere Beamte räusperte sich. »Frau Seifferheld? Gegen Sie wurde Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Sie sollen Ihren Mann schlagen.«
»Ich mache
was?
« Aus Susannes süßem Strubbelhaar wurden schlagartig die zischelnden Schlangen auf dem Haupt der Medusa.
Olaf schloss die Augen. Das war natürlich Silke Genschweins Werk. Susanne würde darüber nicht glücklich sein, ganz und gar nicht glücklich.
Er seufzte resigniert.
In diesem Leben würde er keinen Sex mehr bekommen.
Ich kann allem widerstehen, nur einer Versuchung nicht. (Oscar Wilde)
»Oh, Herr Seifferheld, das tut mir aber leid, habe ich Sie geweckt?«
Ja.
Seifferheld berappelte sich und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er hatte geträumt, dass er »
STICKEN FÜR
Weitere Kostenlose Bücher