Finger, Hut und Teufelsbrut
Blasenblues.
Olga nickte. »Sie nehmen Hund mit in Radio. Herr und Hund singen Duett, ja?«
Alles, was früher als Sünde galt, ist heute eine Krankheit.
»Runter von mir!«, gellte Susanne. Polizeiobermeister Viehoff war ein mehrfach ausgezeichneter Kampfsportler, aber gegen Susannes in vielen Wochen perfektionierte Hebeltechnik kam er nicht an. In hohem Bogen flog er gegen die Hauswand.
»Susanne, Liebes, mach dich nicht unglücklich!«, flehte Olaf.
»Frau Seifferheld, kommen Sie doch zur Vernunft!«, mahnte Polizeiobermeister Roll.
Viehoff landete als Häuflein Elend auf den Dielenbrettern. Er hatte mal kurzzeitig was mit Karina Seifferheld gehabt, wobei »gehabt« zu viel gesagt war. Ein bisschen Flirten, ein bisschen Knutschen und fertig. Doch er kannte sich dadruch mit den Seifferheld-Frauen aus. Durch die Bank weg schwer gestörte Gewalttäterinnen. Er hatte dieser Furie Susanne nur beruhigend die Hand auf die Schulter legen wollen, da hatte sie sich auch schon auf ihn gestürzt und zu Boden gerissen.
»Ich schlage meinen Mann nicht!«, brüllte Susanne und sprang auf die Beine. Die Unterstellung machte sie fuchsteufelswild.
Aus dem Kinderzimmer hörte man nun auch die Schreie von Ola-Sanne. Für ein ungeübtes Ohr war es das ängstliche Wehklagen eines Neugeborenen, aber Ola-Sanne war eine Seifferheld, und PO Viehoff war sich absolut sicher, dass es sich in Wirklichkeit um wilde Anfeuerungsrufe für die Mutter handelte. Schließlich war das Kind auch eine Seifferheld.
Viehoff blieb erst mal liegen. Es kostete ihn sämtliche Kraftreserven, nicht zu stöhnen. Natürlich war so ein Schrank von einem Mann wie er nicht schon ausgeknockt, nur weil eine junge Mutter sich erst auf ihn gestürzt, dann zu Boden gerissen und ihn schließlich mit einer den offiziellen Kampfsportarten unbekannten Beinhebeltechnik an die Wand geschleudert hatte. Aber er hatte sich vor einigen Wochen beim Sporteln die Schulter ausgerenkt und war mit voller Wucht auf der immer noch schmerzempfindlichen Stelle gelandet.
»Alles in Ordnung?« Roll trat neben seinen jungen Kollegen.
Oh, diese Schmach!
»Ja doch!«, fauchte Viehoff.
In amerikanischen Vorabendserien hätten die beiden schon längst ihre Knarren gezogen und Susanne oder wahlweise Olaf oder gleich die ganze Reihenhaussiedlung umgenietet. Aber hier in Schwäbisch Hall, Vorort Tullau, drehte sich Roll nur zu Susanne um und machte »ts, ts, ts«.
»Ich habe meinen Mann noch nie geschlagen!«, kreischte sie.
»Waaaaaaaah!«, kreischte ihre Tochter.
»Es waren alles nur Unfälle«, erklärte Olaf, was aber in diesem Zusammenhang nicht so besonders überzeugend rüberkam.
»Ich bin eine friedfertige Frau!«, brüllte Susanne noch ein paar Dezibel lauter. Draußen auf der Straße liefen die ersten Nachbarn zusammen.
Olaf schloss die Haustür.
Roll war vierfacher Vater und wusste, wie der Hase lief. »Frau Seifferheld, ist ja gut. Die Anschuldigung ist haltlos, das ist doch klar.« Es sprach für seine überaus große Menschenkenntnis, dass er der tobenden Frau mit den wirren Haaren und dem irren Blick Harmlosigkeit attestierte. Und das, obwohl sein Kollege immer noch reglos auf dem Flurboden lag.
»Sie verstehen aber doch sicher, dass wir der Anzeige nachgehen mussten, nicht wahr?«, fuhr er mit ruhiger Stimme fort.
»Wagen Sie es ja nicht noch einmal, Hand an mich zu legen!«, kreischte Susanne, als endlich wieder Leben in Viehoff kam und er sich im Zeitlupentempo aufrappelte.
Ola-Sanne kreischte ebenfalls.
Roll unterdrückte den Impuls, sich die Ohren zuzuhalten. Falls Olaf und Susanne noch ein paar Kinder bekommen sollten, konnten sie ohne Probleme einen auf
Kelly Family goes heavy metal
machen. Was war eigentlich aus denen allen geworden?
Roll schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder. »Ist ja gut, Frau Seifferheld, niemand wird mehr Hand an Sie legen.«
Olaf zitterte. Er war keine Memme. Wie oft hatte er sich schon an die Gleise vor den Atommüll-Endlagerungsstätten gekettet? Das konnte er gar nicht mehr zählen, so oft. Und bei der Demo damals gegen Stuttgart 21 , als die Bullen plötzlich Pfefferspray zum Einsatz brachten, da hatte er wie eine Eins in vorderster Reihe gestanden. Blind und tränend, aber wie eine Eins. Doch daheim bei Susanne kam ihm sein Rückgrat regelmäßig abhanden, und das hatte einen Grund: Er wollte sie einfach nur glücklich sehen. Susanne spürte das und liebte ihn gerade deswegen abgöttisch.
»Wissen Sie, Frau
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