Finger, Hut und Teufelsbrut
fröhlich.
Eine Fliege summte.
»Wo ist denn gleich wieder meine Brille?« Der Arzt tastete seinen Kittel ab, zog eine altmodische Nickelbrille hervor, setzte sie sich umständlich auf die Nase, schlug die Akte auf, die er mitgebracht hatte, sah prüfend hinein und fischte dann einen Laborbericht aus einer Plastikschale mit der Aufschrift Eingangspost. Auf die sich gleich darauf die Fliege niederließ und ungeniert Insektenkörperhygiene betrieb.
»Aha«, konstatierte Dr. Wong. »Ein Vaterschaftstest.«
Fela brummte. Was war dieser Wong: Koreaner? Japaner? Chinese? Und wie komisch er redete! Dem sollte er glauben? Er würde das Ergebnis auf jeden Fall anfechten.
»Woher kommen Sie eigentlich?«, verlangte Fela ungehalten zu wissen. »Sie sprechen so seltsam.«
Die Fliege flog auf.
»Fela!«, sagte Karina vorwurfsvoll.
Dr. Wong sah auf. »Ich? Aus Dohna bei Dresden. Ich bin Sachse.«
»Hm.« Ja, jetzt hörte Fela es auch. Sächsisch. Dennoch witterte er immer noch ein Komplott. Andererseits wusste er auch, was Karina von der sächsischen Sprache hielt. Sie musste immer kichern. Allmählich kamen Fela Zweifel, ob sie wirklich mit diesem Wong geschlafen hatte. Man kann nicht dauerkichern und gleichzeitig Liebe machen. Verdammt, das war alles so kompliziert!
Fela wollte keine Kinder. Jetzt jedenfalls noch nicht. Wenn er Lust auf ein Kind verspürte, spielte er mit seinem kleinen Bruder Mozes, einem Nachzüglergeschwisterchen von gerade mal zehn Jahren, Cowboy und Indianer oder Marsmensch und Venusianer. Bloß kein eigenes Kind! Mein Gott, Fela hatte weiße Sitze in seinem Vintage-Käfer, die würden durch so ein Balg doch sofort ruiniert!
»Herr Nneka und Frau Seifferheld …«, las Dr. Wong ab und raschelte mit Papier. »Ah ja, und Baby Fela junior. Dutzi, dutzi, dutzi …« Er winkte dem gelben Wonneproppen quer über den Schreibtisch zu.
Fela junior gurgelte, strampelte glücklich mit seinen dicken Beinchen, verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln und gab »A-A-A«-Laute von sich.
Karina schluckte schwer.
Fela auch.
Die Fliege summte.
Dr. Wong nickte bedächtig. »Nun ja, schon die optische Erstdiagnose ist eindeutig, nicht wahr? Herr Nneka, der Test zeigte, dass Sie nicht der Vater dieses Kindes sein können.«
»Ich wusste es!« Fela sprang auf, hob beide Arme und hüpfte wie Rumpelstilzchen durch das Büro.
Die Fliege suchte Schutz auf der Vorhangschiene über dem Fenster.
Karina schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber … aber …«
Weiter kam sie nicht.
Der Arzt hob eine Hand. »Einen Moment, bitte.«
Eine Träne kullerte aus Karinas rechtem Auge.
Fela hielt im Triumphhüpfen inne.
»Der Test zeigt auch, dass das Kind mit 100 -prozentiger Sicherheit nicht von Ihnen sein kann, Frau Seifferheld.« Der Mediziner schürzte die Lippen. »Da kann es zu meinem Bedauern nur eine einzige Erklärung geben: Das Baby muss bei der Geburt vertauscht worden sein.«
Karina und Fela starrten ihn an.
Dr. Wong zuckte mit den Schultern.
»Quatsch«, erklärte Fela. »Ich hab’s doch mit eigenen Augen rausschlüpfen sehen, und da war es schon gelb und mandeläugig. Also, eigentlich nicht gelb, sondern voll farbloser Schmiermasse, aber definitiv mandeläugig. Das ist auf jeden Fall Karinas Kind.«
Der Arzt runzelte die Stirn und blätterte durch die Papiere in der Akte. »Sind Sie sicher?«
»Natürlich ist er sicher. Fela junior ist mein Sohn. Aber seiner auch!«, bekräftigte Karina.
Sie klang trotz allem ruhig und gefasst. Das war nicht mehr die stürmische Karina aus alten Aktivistentagen. Sie färbte sich die Haare nicht länger in fluoreszierenden Farben, die die Natur nicht für menschliches Haupthaar vorgesehen hatte, weil sie nämlich Angst hatte, dass Farbpigmente in die Muttermilch geraten und ihr Baby vergiften könnten. Und sie brüllte auch nicht mehr wütend herum, wenn ihr etwas nicht passte, so wie jetzt, weil sie dadurch Klein Fela erschrecken könnte, und das durfte nicht passieren. Also bewahrte sie eine Karina-untypische, ja fast schon übermenschliche Contenance und wiederholte nur noch einmal: »Glauben Sie mir, Dr. Wong, dieses Baby hier ist unser beider Kind, also das von Fela und mir.«
Fela war von dem ganzen Durcheinander so genervt, dass er nicht widersprach.
»Hoppla«, meinte der Mediziner und hob die Augenbrauen. »Stimmt, ich habe da tatsächlich etwas durcheinandergebracht. Der Laborbericht gehört gar nicht zu Ihrer Akte. Na, das werden wir gleich
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