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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Manneskraft anfordern. Alles schon vorgekommen. Zum Beispiel damals, als ihn die verrückte, männermordende Psychopathin in ihrer Küche gefesselt hatte. Oder als sie eine Ladung Kissen in einer Nacht- und Nebelaktion mit der Zieraufschrift
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besticken mussten, was bei manch einem zu zerstochenen Fingerkuppen geführt hatte. Was übrigens ähnlich heftig schmerzte, wie wenn man sich an Papier schnitt, von der breiten Öffentlichkeit aber schändlich unterschätzt wurde.
    »Pause«, verkündete Bocuse, nachdem sie gefühlte hundert Stunden geschuftet hatten, und ergänzte vollmundig: »Das Bier geht auf misch!«
    Was auch stimmte. Allerdings hatte Bocuse nur eine einzige Dose Bier besorgt, die reihum gereicht wurde und schon leer war, bevor sie den Mund von Arndt erreichte, und das, obwohl Schmälzle und Horst sich geweigert hatten, aus einer Dose zu trinken, die schon ein anderer Männermund angesetzt hatte (Herpes! Ebola!).
    Nun war Arndt Klempner, und das ist ein anständiger, geachteter Handwerksberuf, aber wie alle Welt weiß (und das hätte auch Bocuse als Franzose wissen müssen), darf man einem Handwerker sein Pausenbier nicht vorenthalten. Das gibt böses Blut.
    »Ich geh dann mal los und hole mir was zu trinken«, verkündete Arndt demzufolge finster.
    »Du kannst nischt weg!«, protestierte Bocuse. »Wir streischen jetzt! Das ist ein ganz sensibler Moment in der Renovierungsphase!«
    Aber da war Arndt schon weg.
    Bocuse drehte sich zu den anderen um. »Isch werde nischt vergessèn, wer meine Freunde sind. Wer in der Stunde der Not zu mir gealten at!«, versprach er. Die anderen nickten. Sie wollten ihre Hoffnungen ja nicht zu hoch schrauben, aber vielleicht hatte Bocuse noch irgendwo eine Dose Bier versteckt, die er anschließend mit ihnen zu teilen gedachte …
    »Klaus«, fuhr Bocuse fort. »Ast du die Eimer mit der Farbe besorgt?«
    »Aber sicher doch!« Stolz wuchtete Klaus die Farbeimer auf den nächstbesten Tisch. »Hier bitte.«
    »Gut, wir aben alles abgedeckt, lasst uns streischen!« Bocuse, der die zum Abdecken notwendigen Zeitungen in aller Herrgottsfrühe aus diversen Briefkästen hatte mitgehen lassen, klatschte wieder in die Hände, was seine Jungs zunehmend nervte.
    Klaus zog die Deckel von den Eimern.
    Die Männer verstummten.
    Also, eigentlich hatten sie ja ohnehin nicht gesprochen, aber beim Anblick der Farbeimerinhalte stockte ihnen kollektiv der Atem, und ein unheimliches Schweigen machte sich in der Stille breit. Die Stille vor dem Sturm.
    » KLAUS !«, donnerte Bocuse.
    »Was denn?« Klaus guckte wie immer. Man konnte diesen Gesichtsausdruck als vieles bezeichnen: kindlich-offen. Oder auch dümmlich. Aber auf jeden Fall intelligenzfrei.
    »Weiß, die Wände sollen
weiß
werden!«
    »Von Weiß gab’s aber nur noch einen Eimer. Ich dachte, wir mischen einfach.«
    »Wir mischen einfach? Wir
mischen
einfach?« Die Zündschnur von Bocuse war ohnehin kurz, und jetzt stand eine dynamitöse Explosion unmittelbar bevor. Die Kochkursjungs duckten sich vorsichtshalber.
    »Ist doch kein Problem«, meinte Horst aus seiner sicheren Duckhaltung heraus. Als Mathelehrer sah er sich von Berufs wegen zur Vernunft genötigt. »Wir holen neue Farbe. Ist ja nicht weit bis zum Industriezentrum im Kerz. Oder im Solpark.«
    Bocuse reckte ihm den Arm mit seiner Armbanduhr entgegen und tippte zornig auf das Zifferblatt.
    »Dafür ist keine Zeit! In einer Stunde kommt der Mensch vom Ordnungsamt, der das Bistro abnehmen soll. Bis dahin müssen wir gestrichen haben!«
    In höchster Erregung sprach Bocuse akzentfrei Deutsch. Was seinen Jungs in diesem Moment aber gar nicht auffiel, weil ihnen der Inhalt seiner Worte zu schaffen machte.
    In dieser Deutlichkeit hatte Bocuse ihnen das bislang nämlich gar nicht kommuniziert. Sie waren alle davon ausgegangen, noch den ganzen Tag Zeit zu haben. Und das fanden sie schon knapp. Aber eine Stunde?
    »Das schaffen wir nie! Nicht mal, wenn wir nehmen, was wir haben«, erklärte Eduard und sah kopfschüttelnd in die Farbeimer.
    »Wir müssen!« Bocuse verschränkte die Arme. Er war früher bei der Fremdenlegion gewesen (okay, nur als Aushilfskoch in der Feldküche, aber he, Fremdenlegion ist Fremdenlegion!) und sah Widrigkeiten als Schlachten, die es zu schlagen galt. Man zog vor dem Feind nicht den Schwanz ein! »Alors, wir mischen jetzt diese Eimer, und dann wird gestrichen!«
    Gesagt, getan.
    Sie strichen wie die Weltmeister.
    Und als exakt zweiundsiebzig

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