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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Minuten später ein Vertreter des Ordnungsamtes vor der Tür stand, war tatsächlich alles fertig. Der Schankraum, die Küche, die Jungs.
    Es roch zwar noch nach Industriereiniger, und die Wände waren noch feucht, sahen aber ordentlich aus.
    Nur …
    Der Ordnungsamtmensch, der anfänglich aufgrund der interessanten Farbgebung kurz gestockt hatte, reichte Bocuse zum Abschied die Hand. »Von mir aus geht das klar. Wenn Sie dann alle Bescheinigungen beisammenhaben, sehen wir uns in meinem Büro, und dann können Sie in ein, zwei Wochen auch schon eröffnen. Alles Gute, Herr Arnaud.«
    »Ein, zwei …«, fing Klaus an.
    Bocuse rammte ihm den Ellbogen in die Seite.
    Nachdem der Vertreter der Staatsmacht gegangen war, gab es tatsächlich noch ein Bier für alle. Also, eine Flasche für alle, die noch dazu warm war. Was die Schotten für die Briten und die Schwaben für die Deutschen waren, das war Bocuse für Frankreich. Molière hatte sein Stück
Der Geizige
zweifellos nach einer Begegnung mit einem von Bocuses Vorfahren verfasst.
    »Isch eröffne morgen und damit basta!«, verkündete Bocuse nach dem ihm zustehenden Schluck Bier und schaute stolz, aber auch ein wenig unfroh in die Runde, denn sein Bistro sah irgendwie nicht besonders französisch aus.
    Klaus hatte nämlich nicht nur weiße, sondern auch rote Farbe gekauft, und das Mischungsverhältnis sorgte letztendlich für einen rosa Farbton. Für ein sehr rosarotes Rosa. Ja doch, nennen wir es beim Namen: ein schwules Rosa.
    Bocuse wusste es in diesem Moment noch nicht, aber nachdem die Schwulen aus Schwäbisch Hall in den achtziger Jahren nach Stuttgart in den
King’s Club
gepilgert waren, nachdem sie in den neunziger Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends scharenweise nach Berlin, oder wenigstens nach Köln, oder München oder Dresden ausgewandert waren, gab es nun endlich einen Anker in der Heimat. Einen Hafen, eine Wohlfühlstammkneipe zum Biertrinken und Abchecken und Anbaggern, eine Zentrale zum Planen des Christopher Street Day, ein rosa Refugium.
    Und dieses Refugium hieß
Chez Klaus.
    Unverhofft kommt oft.
    Vorbesprechung bei Seifferhelds in der Unteren Herrngasse. Sie hatten das Wohnzimmer für sich.
    Karina war wortlos mit Fela junior abgezogen. Nun ja, nicht ganz wortlos. »Was nimmt denn ein Akademiker pro Stunde?«, hatte sie noch gefragt.
    »Wofür?«, wollte Seifferheld wissen.
    In Karina kämpfte es sichtlich. »Ach nichts«, sagte sie dann und stopfte ihren Sohn in ihre buntgemusterte Bauchbinde, was die beiden wie Kängurumutter und Kängurukind aussehen ließ.
    »Und was für ein Akademiker?«, setzte Seifferheld noch eins nach. Musste er sich Sorgen machen? Ein Professor für Kinderheilkunde? War Klein Fela krank?
    »Schon gut, nur so, vielleicht will ich ja noch am neuen Campus BWL studieren. Wenn sich’s hinterher finanziell lohnt«, wehrte Karina den Anfängen. Jetzt bloß kein Verhör durch ihren Onkel. Devise: Feind verwirren und dann geordneter Rückzug. Sie machte sich vom Acker.
    Ihr Onkel schaute ihr mit offenem Mund nach. Karina und ein BWL -Studium? Eher fror die Hölle ein.
    Irmgard war ebenfalls aushäusig. Sie hatte ihrem Helmerich einen Brief voller Anweisungen geschrieben, wie er sich in Afrika zu verhalten habe (nie unabgekochtes Wasser trinken, immer erst nach Schlangen Ausschau halten, bevor er in seine Halbschuhe schlüpfte, barbusigen Eingeborenenfrauen in die Augen, nicht auf die Möpse gucken, mit drei Ausrufungszeichen!!!), und war zur Hauptpost im Kocherquartier gegangen, um den Brief per Eilpost aufzugeben. Irmgard meinte es immer gut mit ihrem Gatten. Sie half Helmerich auch stets liebevoll beim Umbinden der Küchenschürze. Spätes Glück machte weich, selbst alte Jungfern, deren Spitzname »die Generalin« lautete.
    Seifferheld saß mit Rani und MaC am Küchentisch.
    Rani trug an diesem Morgen Jeans und ein T-Shirt, beides von Karina geliehen, und wirkte sehr blass.
    »Ich habe noch einmal alles Menschenmögliche versucht. Ich habe mit der indischen Botschaft in Berlin telefoniert. Ich habe die hiesige Polizei kontaktiert. Überall hat man mich abschlägig beschieden«, erzählte sie verzweifelt in ihrem Versatzstückdeutsch. »Man teilte mir mit, die Sicherheitsvorkehrungen seien ausreichend, und Hinweise auf eine geplante Entführung würden nicht vorliegen.« Sie knüllte ein Papiertaschentuch in ihren langen, olivfarbenen Fingern zusammen. »Warum habe ich den USB -Stick nur aus der Hand gegeben?

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