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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Geistesblitz in die Tat umsetzen: Menschen finden, die denselben Background hatten wie Rani und der Kulturattaché.
    Gleich und gleich gesellt sich gern, das galt ja wohl auch in Indien. Und fern der Heimat schloss man sich selbst mit jenen Landsleuten fröhlich zusammen, die man zu Hause nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Da war der Inder sicher nicht anders als der Deutsche oder der Brite oder der Marsmensch.
    Seifferheld sah sich im Halbdunkel um. Es musste hier doch noch mehr Inder geben!
    »Hallo?«, rief er dem jungen Mann zu, der hinten in der Ecke saß und aus voller Kehle sang. Richtig gut sang. Seifferheld erkannte die Arie sogar.
Nessun Dorma
aus Turandot.
    Der junge Mann verstummte, sah Seifferheld an, bemerkte die krumme, über den Stock gebeugte Haltung und sprang auf. Dabei flatterten diverse Notenblätter von seinem Schoß.
    »Benötigen Sie meine Hilfe?«, fragte er besorgt. Dieselbe geschraubte Versatzstückausdrucksweise wie bei Rani Chopra.
    Und derselbe dunkelolivfarbene Hautton.
    Seifferheld kannte nur einen einzigen Inder, wenn auch einen eingedeutschten Inder, und den auch nur aus dem Fernsehen: Ranga Yogeshwar von
Quarks & Co.
Dem sah sein Gegenüber nun ganz und gar nicht ähnlich. Aber es sah ja auch nicht jeder Oberbayer aus wie ein Fischkopp aus Kiel, nicht jeder Thüringer wie ein Nürnberger und umgekehrt. Letztes galt auch für Würste. Seifferheld hatte jedenfalls keinen Zweifel, es hier mit einem Inder zu tun zu haben. Spiel, Satz und Sieg – und das auf Anhieb.
    »Vielen Dank, junger Mann, es geht mir gut, ich bin nur alt«, sagte Seifferheld. »Warum ich hier bin: Ich suche jemand, der Rani Chopra kennt.«
    »Ich kenne Rani Chopra.« Der junge Inder, der sich hilfsbereit über Seifferheld gebeugt hatte, richtete sich wieder auf. Eine Bosheit der Natur, dass junge Menschen den alten Menschen über den Kopf wuchsen. Man verlor dadurch den Vorteil des Von-oben-Herabblickens.
    »Mein Name ist Sunil. Ich grüße Sie.«
    »Und ich grüße Sie. Setzen wir uns doch am besten hin.«
    Seifferheld und Sunil gingen zu dem Meer aus Notenblättern, das sich über den Steinboden ausgebreitet hatte wie Wattwurmhäufchen bei einsetzender Ebbe. Sunil fing an, die Blätter einzusammeln.
    »Ich habe Rani schon seit Tagen nicht mehr gesehen«, erzählte er in stockendem, aber einwandfreiem Deutsch. Der Unterricht hier musste gut sein. »Und dann kamen gestern zwei Polizisten zu uns und fragten uns, ob wir etwas zu ihrem Verbleib aussagen könnten. Sie ist verschwunden, müssen Sie wissen.«
    »Ja, ich war dabei, als man sie entführt hat«, sagte Seifferheld und setzte sich auf einen der Plastikstühle.
    »Entführt?« Sunil hielt im Notenblättereinsammeln inne und setzte sich im Schneidersitz auf den Steinboden. »Nein!«
    Ja, leck mich doch,
dachte Seifferheld. Hatten seine Kollegen das etwa nicht kundgetan? Hatte es womöglich aus ermittlungstechnischen Gründen geheim bleiben sollen? Das war jetzt blöd.
    »Ich will offen zu Ihnen sein, Sunil.« Seifferheld merkte es nicht, aber er betonte den Namen falsch. Auf der zweiten Silbe, wie das Waschmittel. Der junge Inder war jedoch zu gut erzogen und zu höflich, um ihn darauf aufmerksam zu machen.
    »Rani ist da in etwas hineingeraten …«
    Inwieweit konnte er Sunil vertrauen? Rani hatte nie genau spezifiziert, wie der Mann aussah, der sie verfolgt und sich mit größter Wahrscheinlichkeit den USB -Stick unter den Nagel gerissen hatte. War es womöglich Sunil gewesen? War es nicht ohnehin logisch und auf der Hand liegend, dass die Entführer Inder waren? Wie sonst hätte Ranis Vater so nah an sie herankommen können?
    Seifferheld biss sich auf die Lippen.
    Von draußen schaute Onis durch die Tür.
    Sunil wartete geduldig.
    Oben im ersten Stock hörte man Lachen und leise Musik, es war gerade Unterrichtspause.
    Schließlich hielt Sunil es nicht mehr aus. »In was ist Rani hineingeraten? Hat es mit der Entführung unseres Kulturattachés zu tun? Kann ich helfen?«
    Seifferheld nickte gewichtig. Von seiner erhöhten Warte aus, mit Sunil zu seinen Füßen, fühlte er sich wie ein weiser, alter Guru mit seinem eifrigen Schüler. »Sie können mir erzählen, was Sie über Rani und den Kulturattaché wissen.«
    Sunil schob die Notenblätter ungeordnet in eine Mappe. »Ich hatte das große Vergnügen, Rani Chopra hier in Schwäbisch Hall kennenlernen zu dürfen.« Eindeutig ein Satz aus einem Lehrbuch. »Ihre Hobbys sind Tanz und Musik und

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