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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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ruhige, beherrschte junge Frau geworden. Dachten ihre Eltern. Und waren eigentlich froh. Es kümmerte sie im Grunde nicht die Bohne, welche Farbe ihr Enkel hatte, ob weiß, ob schwarz, ob gelb oder kariert: Dieser Wonneproppen hatte aus ihrer aufsässigen Randale-Tochter eine Frau gemacht, auf die man stolz sein konnte.
    Wenn da nur nicht …
    Die Nnekas sahen betroffen auf die Holztischplatte und wagten es nicht, den Blick zu heben. Sie hatten ihre politisch unruhige Heimat verlassen, um ihren Söhnen Fela und Mozes einen guten Neuanfang zu bieten, eine ordentliche Ausbildung, ein stabiles Heim und Aussichten auf ein erfülltes Leben in Frieden. Fela hatte sich auch gut gemacht, immer ein braver Junge, ein anständiger Bürger, und ein hochbegabter Fotograf, auf den sie stolz waren. (Für Mozes konnte man noch keine Prognose abgeben, er war als Nachzügler noch zu jung.)
    Das hier hatte Fela nicht verdient. Sie machten sich die größten Vorwürfe. Unter dem Tisch suchten und fanden sich ihre Hände.
    Nachdem die junge Kellnerin fünf Kaffee schwarz, fünf Stück Kirsch-Milchreis-Kuchen und eine heiße Zitrone gebracht hatte, knallte Fela ein Stück Papier auf den Tisch. »Der Laborbefund: Karina und ich sind die Eltern von Fela junior.«
    Karina hätte weinen können. Vor Freude. Zum ersten Mal hatte Fela den Namen seines Sohnes ausgesprochen und ihn Fela junior genannt! Und von ihr und sich als »Eltern« gesprochen.
    Die Seifferhelds und die Nnekas schauten verbissen in ihre Kaffeetassen.
    »Hat vielleicht irgendjemand was zu sagen?«, verlangte Fela ungnädig zu wissen.
    »Fela, doch nicht in diesem Ton«, beschwichtigte Karina.
    Der Genetiker, den sie kontaktiert hatte, konnte nur mit einer einzigen Möglichkeit aufwarten.
    »Ich habe in Stuttgart einen Zweit- und in Karlsruhe einen Drittbefund einholen lassen. Es besteht kein Zweifel«, fuhr Fela in exakt demselben Ton fort, weil er sich von der Frau an seiner Seite nicht die Stimmlage vorgeben lassen wollte.
    »Du hast was?« Karina war empört.
    »Jetzt nicht.« Fela verschränkte die Arme vor seiner durchtrainierten Brust und markierte den starken Mann.
    Herrmann Seifferheld räusperte sich. Seine Frau legte ihre Hand auf seine Schulter. »Nein, Schatz, das ist meine Aufgabe.«
    Marcella, Karinas Mama, kam ursprünglich aus Rom und trug an diesem Tag ein schwarzes Etuikleid und darüber eine Spitzenstola. Wenn sie die Stola jetzt noch über ihr onduliertes Haupthaar ziehen würde, wäre sie angemessen gekleidet für eine Papstaudienz. So sah es nur aus, als sei sie in Trauer. Was sie irgendwie auch war. Denn heute würde die Schande ans Licht kommen.
    »Wenn ich vielleicht zuerst …?«, bat Felas Mutter und holte tief Luft. Sie trug ein farbenfrohes, bodenlanges Kleid aus ihrer alten Heimat und hatte die Haare extra zu einem kunstvollen Zopfgebilde arrangiert, in das bunte Glasperlen eingeflochten waren. Ein Augenweidenanblick. »Es ist alles meine Schuld. Ja, meine Schuld.«
    Im wirklichen Leben trugen beide Frauen Jeans und Blusen, aber wann immer sie sich trafen, versuchte eine die andere an Eleganz auszustechen. Bislang ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Unentschieden.
    »Bitte, ich hatte doch schon angefangen«, unterbrach Karinas Mutter, mit beiden Händen gestikulierend, wie man es von Italienerinnen erwartete. »Und es ist definitiv
meine
Schuld.«
    Marcella Seifferheld entstammte einem uralten Geschlecht. Wer sie kannte, ging davon aus, dass die Wurzeln ihrer Familie bis in die Frühzeit reichten und sie von den antiken Römern abstammte. Allerdings nicht von den netten, zivilisierten Römern wie Seneca oder Marc Aurel, mehr von den stiernackigen Römern, die sich von Wölfinnen säugen ließen, Gladiatoren ausbildeten oder sich freiwillig zum Barbarenschlachten meldeten. Marcellas dunkle Augen blitzten. »Karina, mein Liebes, mein einziges Kind, ich muss dir etwas sagen …« Sie neigte zur Theatralik. Aus dem linken Ärmel ihres Etuikleides zog sie ein Spitzentaschentuch und tupfte sich die Augenwinkel ab.
    »Entschuldigung, dürfte ich wohl ausreden!«, verlangte Frau Nneka mit lauter Stimme. Sie entstammte einer Griot-Familie, der jahrhundertealten Kaste der Musiker und Geschichtenerzähler, die stets zum festen Hofstaat afrikanischer Königreiche gehört hatten. Wenn Frau Nneka eines konnte, dann laut sprechen. »Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass
ich
schuld bin!«, tönte sie, und man hörte sie gewiss bis hinaus auf die Neue

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