Finger, Hut und Teufelsbrut
hier …
»Lass gut sein, Siggi. Der Finger ist weg. Die Kollegen vom BKA haben ihn sofort eingesackt und nach Wiesbaden zur Untersuchung gebracht.«
Seifferheld ließ sich wieder in seinen Lieblingssessel sinken. So ein Mist.
»War eigentlich ein ganz normaler Männerfinger. Vielleicht einen Tick zu gepflegt für einen Sportlertypen, aber dafür mit Siegelring. Der Ring ist wohl echt. Wir haben ein Handyfoto gemacht und seiner Familie geschickt, und die haben es bestätigt. Schlimm, oder?«
Bauer zwo klang jedoch nicht wirklich erschüttert. Schließlich hatte der Mann ja noch neun andere Finger. Sich selbst betrachtete Bauer zwo als ewigen Junggesellen und da er auch nicht vorhatte, in absehbarer Zukunft noch mal ein Instrument – etwa Klavier – zu lernen, befand er Ringfinger für unnötig.
»Wird denn jetzt das Lösegeld bezahlt?«, fragte Seifferheld, obwohl er die Antwort bereits zu kennen glaubte.
Pustekuchen.
»Nope. Die Botschaft hat erneut erklärt, mit Terroristen nicht zu verhandeln. Und die Familie besteht weiterhin auf zeitgleichem Austausch von Entführungsopfer und Geld. Könnte ja sein, dass die Täter den Finger vom toten Kulturattaché abgesäbelt haben. Die Angehörigen wollen auf Nummer sicher gehen, bevor sie das Sparschwein schlachten.«
Seifferheld schüttelte den Kopf angesichts dieser Kaltschnäuzigkeit. Der von Bauer zwo und der von Mohandras Familie. »Wenn das mein Sohn wäre, würde ich rasch handeln, bevor es zu spät ist.«
Weisere Worte wurden nie gesprochen.
Man muss nicht unbedingt einem anderen das Licht ausblasen, um das eigene strahlen zu lassen … Aber es hilft.
Mohandra Johar, der indische Kulturattaché, schaute überrascht, ja erstaunt auf seine Brust, auf der sich ein kleiner roter Fleck ausbreitete, blickte dann hoch in die Kamera, hob die dick mit Mullbinde umwickelte linke Hand, sein Unterkiefer klappte nach unten und – zack! – war er tot. Einfach so.
Sein Kopf sackte auf seine Brust. Er verharrte sitzend auf seinem Stuhl, schließlich war er ja daran gefesselt, aber insgesamt machte er den Eindruck einer leblosen, eingefallenen Gestalt.
Ende der Fahnenstange. Finito. Aus die Maus.
Das kam jetzt für alle etwas plötzlich.
Johar war tatsächlich vor laufender Kamera erschossen worden!
Wurster fiel vor Schreck das Leberkäsweckle aus der Hand.
Bauer zwo sagte: »Wie jetzt?«, und sah sich verständnislos um.
Kurz bevor das BKA eine Live-Schaltung aktivierte und die Videonachricht über den Bildschirm der Mordkommission flackerte, hatte Seifferheld bei seinen Ex-Kollegen vorbeigeschaut, um Näheres über den abgetrennten Finger zu erfahren und darüber, wie genau er der Polizei in die Hände gefallen war (Expresspaket? In eine Babyklappe gelegt?). Als der Schuss kaum hörbar aus dem Schalldämpfer »ploppte«, wollte sich Seifferheld gerade die Kaffeetasse an die Lippen setzen. Er erstarrte mitten in der Bewegung.
Johar saß auf demselben Stuhl wie am Vortag, vor demselben weißen Betttuch, trug noch denselben Anzug. Eine mechanisch verzerrte Stimme aus dem Off erklärte, wie unzufrieden man mit den Verhandlungen gewesen sei und dass man ein Zeichen setzen wolle. Das nächste Opfer sei schon auserkoren.
Die Entführer ließen die Kamera noch lange genug – auf die reglose Gestalt von Mohandra Johar gerichtet – laufen, damit man sicher sein konnte, dass nicht einmal ein geübter Extremtaucher die Luft so lange anhalten konnte.
Definitiv tot.
Ja, man rufe es von Sendetürmen und Funkmasten: Mohandra Johar, der indische Kulturattaché in Deutschland, war ermordet worden!
Die Monster unter deinem Bett haben auch Alpträume. Von dir.
Bocuse suhlte sich im Selbstmitleid wie ein schwäbisch-hällisches Landschwein im Hohenloher Schlamm. Nur dass er nicht grunzte.
»Noch zwei Pils, bitte«, riefen die beiden Frauen am Ecktisch.
»Klaus! Zwei Pils!« Bocuse stöhnte.
Bis heute Mittag hatte der Laden gebrummt. Und wie. Das lag an den Vertretern der Weltpresse, die ihren Durst stillten, während sie auf Neuigkeiten vom entführten Kulturattaché warteten. Aber nun war der Inder tot, und die Pressefuzzis hatten alles fotografiert und gefilmt, was Hall als Ort des Entführungsgeschehens zu bieten hatte, und waren wieder abgezogen. Insgesamt hatte sich sein Bistro sehr gut angelassen, und er hatte ordentlich verdient, auch wenn ihm ein Journalist von der
Süddeutschen
die Rechnung seiner Reinigung zukommen lassen wollte, weil er sich gegen
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