Finger, Hut und Teufelsbrut
klatschten.
Traditional Night
im
Carnivore Jazzclub
in Nairobi. Mama Temba und ihre Combo spielten, wie an jedem zweiten Wochenende, auf.
Rhythmische Klänge. Die Trommel gab den Takt vor. Die Hände an der Trommel waren weiß. Sie gehörten zu einem Mann, den man früher einmal als Pfarrer Helmerich Hölderlein gekannt hatte. Dieser Pfarrer existierte nicht mehr.
Wie eine Raupe hatte er sich aus seinem Kokon geschält, und sein wahres Wesen hatte sich schmetterlingsgleich entfaltet. Wäre er tatsächlich ein Schmetterling, so wäre er ein … also, Hölderlein kannte sich mit Schmetterlingen nicht aus und konnte im Prinzip nur den Zitronenfalter und den Admiral zweifelsfrei identifizieren, aber er wusste, dass es sich bei ihm um ein ausnehmend exotisches Exemplar handeln musste. Er war mutiert, von einem schüchternen, ängstlichen Mann Gottes zu einem furchtlosen Zauberer an der Trommel.
»Ndiyo!«, rief er mit heiserer Stimme, »jaaaa!«, und trommelte wie ein Berserker.
Die anderen Musiker konnten mit seinem Tempo kaum mithalten. Nicht weil es ihnen zu schnell war. Es war zu unregelmäßig. Und zu atonal.
Mama Temba schob den Unterkiefer kämpferisch nach vorne.
Der Bleichkopf war das genaue Gegenteil von einem Naturtalent. Wie konnte man auf eine Trommel nur so dermaßen falsch einschlagen? Ging das überhaupt? Der Mann hatte nicht nur absolut keine Musik im Blut, er war wie ein schwarzes Loch, das die guten Töne in sich aufsaugte und verschwinden ließ und nur die falschen Töne, die einem Gänsehaut verursachten, erklingen ließ.
Das war’s jetzt, beschloss Mama Temba.
Nie wieder Open Drum Night!
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Die drei Tage des Condor
Aus dem Polizeibericht
Wer summt denn da?
Bei einer Honigverkostung der Landfrauen Rosengarten-Uttenhofen auf dem Teurershof haben in einer regelrechten Blitzinvasion schätzungsweise 20 000 Wespen den Saal okkupiert, dessen Fenster wegen der großen Hitze geöffnet waren. Die herbeigerufenen Ordnungshüter verständigten einen Kammerjäger, der die Tiere mit einem Nebel betäubte und anschließend aus dem Saal entfernte. Der Verkostungshonig musste entsorgt werden. Die Landfrauen blieben ungestochen.
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Egal, wie sehr man jemanden liebte, jeder Mensch nervte. Irgendwann, irgendwie.
Wenn MaC bei Siggi übernachtete, war das zwar paradiesisch, aber in jedem Paradies gab es einen Apfelbaum, dessen Früchte man tunlichst nicht pflücken sollte, weil sonst der Ärger losging.
Der Apfelbaum im Paradies von Siggi und MaC hieß Frühstück.
Seifferheld stand gerne sehr früh auf, schrieb seinen Polizeibericht, trank in Ruhe ein Glas Most und aß eine Brezel mit Honig oder Wurst, bevor er dann mit Onis eine Runde durch den Stadtpark drehte. Das war sein heiliges Morgenritual.
MaC dagegen war kein Morgenmensch, fühlte sich aber aufgrund frühkindlich-familiärer Prägungen durch ihre Mutter dazu verpflichtet, ebenfalls früh aufzustehen, um ihrem Lebenspartner Gesellschaft zu leisten. Weil sie aber nun einmal ein Nachtmensch war, saß sie mit sehr kleinen Augen am Küchentisch und brauchte zum Wachwerden Kaffee – viel Kaffee – sowie das
Morgenmagazin
der öffentlich-rechtlichen Sender.
Wenn Seifferheld in seinen geheiligten Morgenstunden etwas nicht brauchen konnte, dann das Dauergeplapper aus der Glotze über Dinge, die ihn deprimierten oder nicht interessierten oder beides. Zumal MaC ohnehin nicht auf den Bildschirm schaute, sondern Frauenmagazine durchblätterte, meistens die
Vogue.
Warum dann also das Ganze?
Am Morgen nach der Ermordung des indischen Kulturattachés – und nach insgesamt drei Tagen, die schon keine Alltagstage mehr gewesen waren – hatte Seifferheld gerade den Polizeibericht an das
Haller Tagblatt
gesendet und dabei große Lust auf eine Honigbrezel bekommen, als MaC verschlafen und grußlos in die Küche getaumelt kam und sofort den Kleinbildfernseher einschaltete.
»… noch keine heiße Spur zu den Tätern …« Man sah Luftaufnahmen von Schwäbisch Hall.
MaC werkelte an der Kaffeemaschine. Sie trug nur ein Bigshirt. Mit nichts darunter, wie Seifferheld wusste. Was man auch sehen konnte, wenn sie sich, wie jetzt, vorbeugte, um die Kaffeesahne aus dem Kühlschrank zu nehmen.
»Allmächtiger!«, gellte eine Frauenstimme. Nein, nicht Olga, die kasachische Nicht-Putzfrau. Es war Irmgard, die in diesem Moment, bereits fertig gerichtet, in die Küche trat. »Sodom und Gomorrha! Gibt es in
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