Finger, Hut und Teufelsbrut
schoben stattdessen Rani vor, die behaupten sollte, ihr Vater habe da etwas mit angehört. Mein Gott, ging es noch komplizierter?
»Machen Sie sich gar keine Sorgen um die Sicherheit Ihrer Tochter?«, fragte Seifferheld.
Chopras Bart bestand zunehmend mehr aus weißem Bierschaum und immer weniger aus dunklen Barthaaren. Er wurde dem Weihnachtsmann immer ähnlicher.
»Wieso sollte ich?« Chopra schaute erstaunt.
Seifferheld verschlug es kurzzeitig die Sprache. Wusste der Mann etwa nicht Bescheid?
»Nun … Ihre Tochter wurde entführt.«
» WAS ?« Chopra sprang auf. »Man hat meine Tochter entführt?«
Die Gäste an den anderen Tischen drehten sich zu ihnen um. Onis öffnete ein Auge.
Großer Gott. Dabei hatte Seifferheld früher einmal in seiner Abteilung als der einfühlsame Diplomat gegolten. An diesen Punkt der Unterhaltung hätte er sich auch vorsichtiger herantasten können. »Es tut mir so leid, Herr Chopra. Schon vor einigen Tagen. Ich dachte, das wüssten Sie.«
Kein Wunder, dass der Mann eine solche Ruhe ausgestrahlt hatte. Er war ahnungslos gewesen.
»Vor einigen Tagen?«
Seifferheld nickte. »Am selben Tag, als man den Kulturattaché entführt hat. Nur wenige Stunden zuvor. Man vermutet daher einen Zusammenhang.«
Chopra setzte sich wieder und tupfte sich mit der Serviette den Schaum vom Bart. Ein sehr wohlerzogener Mann mit exzellenten Manieren, man merkte, dass er aus einem guten Stall kam.
»Wenn das so ist, dann ist ja alles in Ordnung«, sagte er.
Seifferheld stutzte.
»Meine Tochter ruft mich jeden zweiten Tag an. So auch gestern Abend. Sie ist vollkommen okay. Bei dem Entführungsopfer muss es sich um eine andere Frau handeln.«
Konnte das sein? War Rani gar nicht Rani?
»Haben Sie ein Foto von Ihrer Tochter?«
Chopra zog eine Studioaufnahme aus seiner Geldbörse. Kein Zweifel möglich, es war ein und dieselbe Frau. Identisch.
»Doch, das ist die Rani Chopra, die wir kennengelernt haben. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie entführt wurde. Sie kann nicht in Ordnung sein, das ist unmöglich.«
»Nichts ist unmöglich«, zitierte Chopra einen japanischen Autohersteller. Er verschränkte die kräftigen Arme. »Meine Rani ist eine Drama Queen. Als der Familienrat entschieden hat, dass aus ihr und Mohandra niemals ein Paar werden dürfe, hat sie sich furchtbar aufgeregt. Sie werden sehen, das ist nur wieder eine ihrer theatralischen Einlagen, mit denen sie ihren Willen durchsetzen will. Sie haben ja keine Ahnung, wie mühsam so eine quirlige Tochter sein kann.«
Seifferhelds Tochter Susanne war (bis zu ihren postnatal-depressiven Ausfällen) immer ein Ausbund an Vernunft gewesen, sogar als Pubertierende. Aber Seifferheld hatte ja noch seine Nichte Karina, die sich schon mal so gut wie nackt und mit roter Farbe beschmiert auf Schwäbisch Haller Plätze gelegt hatte, um gegen die Massentierhaltung zu protestieren.
»O doch, ich ahne es. Dann hat Rani sich also gestern bei Ihnen gemeldet und es ging ihr nach eigener Aussage gut?«
Chopra nickte nachdenklich. »Seltsam, eigentlich. Ich hätte gedacht, dass sie die schlimme Sache mit Mohandra stärker mitnimmt.« Die Ermordung des Kulturattachés hatte sich bis in die Mergentheimer Reha-Kliniken herumgesprochen. Chopra schaute betroffen. »Ein guter Mann«, sagte er. »Cricketspieler«, ergänzte er, als ob das alles erklärte.
»Hat sie vor seiner Ermordung bei Ihnen angerufen?«
»Nein, danach. Sie klang mitgenommen, aber gefasst. Nun ja, ich habe ja immer gesagt, dass die beiden nur verknallt und nicht wirklich verliebt waren.« Chopra fuhr sich mit der Rechten über den Bart. »Rani wird sich wieder erholen. Sie wird sich mit dem Gedanken abfinden, dass sie eine einfache Frau ist, wird einen guten, verlässlichen Mann heiraten und viele Kinder bekommen. Ich habe auch schon einen aussichtsreichen Kandidaten im Auge. Aus meiner Heimatstadt. Hat ebenfalls in England studiert. Arbeitet jetzt in Paris, in einem Museum. Sehr ordentlicher junger Mann.« Chopras Blick wurde rührselig.
Seifferheld bezweifelte, ob er seine Tochter wirklich so gut kannte, wie er glaubte. Er schien seine eigenen Vorstellungen von Ranis Zukunft zu haben und sah nur sein Bild einer guten Zukunft für sein Kind, was ihn blind machte für die Wirklichkeit.
Chopra räusperte sich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Ich habe einen Massagetermin.«
Die drei Männer und der Hund erhoben sich.
Onis drückte dem Inder zum Abschied seinen
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