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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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riesigen Hundeschädel in den Schritt, wie er es bei Leuten, die er gut riechen konnte, immer zu tun pflegte. Für Seifferheld war dies »das Siegel der Echtheit«, die Bestätigung der untrüglichen Hundenase, dass es sich bei Rajeesh Chopra um einen guten Menschen handelte.
    Olaf drückte Chopra seine Visitenkarte in die Hand. »Falls Sie mal nach Schwäbisch Hall kommen und dort massiert werden wollen. Ich mach Kasse und privat.«
    Im Flugzeug ist es wie im Knast, mit der zusätzlichen Option, dass man abstürzen kann. (Samuel Johnson)
    Wer Angst vorm Fliegen hat, kennt die beiden Stadien: Erst fürchtet man, dass man sterben könnte, dann fürchtet man, dass man nicht stirbt und die Qual kein Ende findet.
    Die Passagiere des KLM -Fliegers befanden sich bereits kurz nach dem Start in Phase zwei. Da hatten sie aber noch einen halben Tag im selben Flugzeug vor sich.
    Es wurden Stimmen laut, die verlangten, die Maschine zu kapern – wie schwer konnte es schon sein, ein Passagierflugzeug zu fliegen, John Travolta hatte es ja auch gelernt? – und dann Pfarrer Helmerich Hölderlein an einen Fallschirm zu schnallen und ihn in zehn Kilometer Flughöhe einfach abzuwerfen. (Das war noch die humane Version. Andere Passagiere verlangten vom mitfliegenden Air Marshall, Hölderlein einfach zu erschießen. Sie würden hinterher auch beschwören, dass der Pfarrer sich selbstmordattentäterisch verhalten habe …)
    Die Stewardessen teilten Gratis-Alkoholika in einer Menge und in einem Tempo aus, wie sonst nur die Bonbonwerfer ihre Kamellen auf dem Kölner Rosenmontagsumzug. Schon die Kapitäne alter Segelschiffe wussten, dass sich Meutereien nur verhindern ließen, wenn man die Seeleute ausreichend mit Rum versorgte.
    An Helmerich Hölderlein ging das alles vorbei. Er schwebte in anderen Sphären. Seine afrikanischen Trommeln befanden sich natürlich im Frachtraum, aber Hände, die einmal den Rausch des Trommelns kennengelernt hatten, konnten nie wieder reglos bleiben. Folglich klopfte er einen Rhythmus – in dem leider nur
er
einen Rhythmus erkannte – auf die Armlehne, das Fenster, das Tablett, seine Knie, kurzum auf alles, was sich auch nur im Entferntesten als Trommelfläche eignete.
    Dazu summte er.
    Wo die restlichen Passagiere das höllische Hämmern dämonischer Trommelfellfolterknechte vernahmen und dazu ein unmenschliches Jaulen, das ihnen ausnahmslos die Nackenhaare aufstellte, weil es klang, als ob man kleine Tiere quälte – süßen Hoppelhäschen die Löffel abknipste oder ein Streifenhörnchen lebend in einen Mixer warf und pürierte –, da hörte Helmerich Hölderlein im Summen zu seinen Klopfgeräuschen das alte Spiritual
Nobody knows the trouble I’m in / Nobody knows but Jesus.
    Wie die Blues Brothers war er im Auftrag des Herrn unterwegs. Anders als die Blues Brothers hatte er einen Reizdarm, der sich – mit Schmackes! – aus seiner afrikanischen Sommerfrische zurückgemeldet hatte. Vornehmlich in der Duftnote Schwefel.
    Gäbe es eine Möglichkeit, austretende Gase einzufärben, nehmen wir einmal an, im Farbton Gurkengrün, so wäre nicht nur der gesamte Innenraum der KLM -Maschine grün, nein, auch die Kondensstreifen des Flugzeuges würden in kräftigem Grün leuchten. Die überflogenen nordafrikanischen Länder würden Giftgasalarm geben.
    Ja, Helmerich Hölderlein besaß da eine ganz besondere Gabe, nur leider wusste die Menschheit sie nicht zu würdigen.
    Hätten die anderen Passagiere geahnt, dass Helmerich im Auftrag des Herrn unterwegs war, sie wären – so es sich denn um Christen handelte – kollektiv aus ihren jeweiligen Kirchen ausgetreten. Sie wussten es aber nicht, und so konzentrierte sich ihr Zorn allein auf Hölderlein.
    Der Herr, in dessen Auftrag Hölderlein sich unterwegs sah, musste sehr viel Humor haben …
    Jedes Publikum kriegt die Vorstellung, die es verdient. (Curt Goetz)
    An diesem Tag spielte Karina die Leiche mit offenen Augen.
    Damit sie Fela sehen konnte, der mit ihrem gemeinsamen Wonneproppen im Schoß in der ersten Reihe saß und stolz wie Bolle wirkte. Er war jetzt in bester afrikanischer Tradition ein Familienmann mit weißer Frau und gelbem Kind. Hin und wieder schoss er ein Foto von der leblosen Karina auf der Bühne des Theaterkellers. Als Erinnerung. Wenn sie erst einmal richtig verheiratet wären, würde sie sich um die anderen Kinder kümmern müssen, die sie noch kriegen würden. Fela war auf die Farbpalette gespannt: Noch mehr in Gelb? Oder

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