Finger weg Herr Doktor!
gewesen war. Als aber der Rolls-Royce durch die häßlichen Straßen schnurrte, denen das Spital so ergeben diente, und nach reizlosen Vierteln im Norden Londons den ehrbaren Vergnügungsstätten des West Ends zustrebte, begann er sich doch Gedanken zu machen. Beim Crécy angekommen, war die Saat des Zweifels in ihm so schnell wie japanische Wasserrosen auf gegangen und zu wahrer Panik erblüht.
Wenn sich Sir Lancelot unverständlicherweise dazu entschlossen hatte, ihm gratis Speise- und Transportmöglichkeiten aufzudrängen, so war das seine Sache. Terry kannte die Spitalslegenden über den Chirurgen und war geneigt, dessen Freigebigkeit für ein Zeichen von Exzentrizität zu halten. Aber von ihm selbst war es dumm gewesen, Stella nicht gleich die Wahrheit zu sagen. Nur die unerwartete Konkurrenz Grimsdykes hatte ihn automatisch zu dem Täuschungsmanöver verleitet. Nervös fragte er sich, wie lange er es durchhalten würde. Er war überhaupt nicht vertraut mit den Interieurs der Mayfair-Hotels, ja eigentlich keines Hotels, mit Ausnahme jener miserablen Gasthöfe, in denen die Rugbymannschaft von St. Swithin auf Tourneen abzusteigen pflegte. Stella freilich, vermutete er verdrossen, trieb sich den Großteil ihrer Freizeit in so eleganten Lokalen herum.
Während des Fahrens plauderte er in besorgtem Ton und hatte schon mehrmals ein Geständnis auf den Lippen. Dann aber entschloß er sich, weiterzumachen. Er war Fatalist und lehnte es ab, sich von Menschen oder Ereignissen entmutigen zu lassen; beides Eigenschaften, die für das Überleben eines Medizinstudenten überaus wichtig sind. Als er den Wagen parkte, wurde ihm außerdem, klar, daß es nunmehr zu spät war, alles zu gestehen, ohne Stellas Zorn herauszufordern. Möglicherweise, dachte er bei sich, konnte sich noch alles in Wohlgefallen auflösen.
»Ich muß mit dem Geschäftsführer sprechen«, sagte er, als sie die Halle betraten.
»Und ich muß auf die Damentoilette.«
Die Nennung von Sir Lancelots Namen in der Rezeption bewirkte, daß Luigi aus seinem Büro herbeigeeilt kam. Terry gab ihm die gekritzelte Notiz.
»So, Sie sind ein Freund von Sir Lancelot, mein Herr?« sagte Luigi und verbeugte sich. »Wie oft schickte er uns früher, vor dem Umbau, seine vornehmen Ärztekollegen zum Dinner! Zum Glück stehen wir noch gut mit ihm, Sir, obwohl sein letzter Aufenthalt hier leider nicht sehr angenehm für ihn war. Um eines so alten und geschätzten Gastes willen werde ich sofort veranlassen, daß Sie einen schönen Tisch im Restaurant bekommen.«
»Ich bevorzuge die Grillstube.«
»Da haben Sie, unter uns gesagt, völlig recht.« Luigi schien beeindruckt. »Wollen Sie die Drinks vorher in der Mondschein-Bar einnehmen? Von dort hat man einen herrlichen Blick auf London.«
»Ich kann die Drinks doch auf die Rechnung schreiben lassen?« fragte Terry schnell.
»Wie Sie wünschen, mein Herr!«
»Aha! Und die Trinkgelder auch?«
»Selbstverständlich. Ich werde dafür sorgen.«
»Kennen Sie vielleicht eine Miss Stella Gray? Ich nehme an, sie kommt öfter hierher.«
Luigi runzelte die Stirn.»Mir ist der Name momentan nicht geläufig, Sir. Aber zu uns kommen so viele vornehme Leute!«
Beim Verlassen der Damentoilette konnte Stella der Versuchung nicht widerstehen und schlüpfte in eine Telefonkabine. Sie wählte eine Nummer und flüsterte aufgeregt in die Muschel: »Mammi, rate, wo ich bin. Im neuen Crécy!«
»Was machst du denn dort?« fragte ihre Mutter.
»Der Junge, von dem ich dir neulich erzählte, hat mich hierher ausgeführt.«
»Was, der Medizinstudent?«
Sie senkte ihre Stimme. »Aber, Mammi, der hat Geld wie Heu! Und einen Rolls-Royce!«
»Paß nur auf, daß du nicht in Schwulitäten kommst!«
»Aber, Mammi, du kennst mich doch: Vorsicht über alles!«
»Du wirst also kein Abendessen mehr wollen, wenn du nach Hause kommst?«
»Heute nicht, so verhungert einen diese Studenten sonst meist heimbringen.«
Sie warf ihr langes blondes Haar über die Schulter zurück und begab sich wieder zu Terry. Ihr Vater war kein Millionär, sondern ein Chemiker, doch wie alle Mädchen hatte sie einen Hang zum Aufschneiden. In der Dachbar bestellte Terry Martini, ein Getränk, das er noch nie gekostet hatte. Mit Entzücken bemerkte er, daß Stella sehr beeindruckt schien, wiewohl sie sich Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. Gerne hätte er mit den Drinks auch den sinnlichen Gelüsten, die in seinem Inneren gärten, freien Lauf gelassen, aber er
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