Finger weg Herr Doktor!
machen. Wir sind sehr ins Hintertreffen geraten, seit die Burschen vom High Cross den Amtsstab des Unterhauses geklaut haben.«
Grimsdyke schüttelte den Kopf. »Solche Kunststücke sind etwas schwierig. Man muß Zeit und Ort für den Streich genau kennen. Und wo so viele echte Schurken herumlaufen, haben die Leute die Tendenz, ihren Besitz mit Schwerbewaffneten zu verteidigen. Wann soll’s losgehen?«
»Morgen abend soll das Unternehmen steigen.«
»Es müßte etwas weniger -« Er unterbrach sich und zupfte mit beiden Händen sachte an seinem Schnurrbart. »Was haltet ihr von Kidnappen?«
»Das ist eine Idee! Aber wen? Den Polizeipräsidenten?«
»Nein, ihr braucht ein stadtbekanntes Gesicht vom Film oder Theater. Das garantiert euch Schlagzeilen. Jemanden wie... sagen wir... Eric Cavendish?«
Alle fanden die Idee glänzend.
»Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Sache«, fuhr Grimsdyke fort. »Diese Schauspieler sind für Entführungen sehr geeignet. Sie genießen die Publicity. Es passiert fast in jeder Universitätsstadt, die sie besuchen.«
»Vielleicht hat er die Prozedur dann schon satt?« bemerkte Ken zweifelnd.
»Keineswegs! Ich weiß zufällig, daß er einen geradezu umwerfenden Sinn für Humor hat. Er wird bei dem Scherz mitmachen und den Spaß verstehen. Wo er doch auf der Leinwand ständig gekidnappt wird.«
»Und die Nacht im Bett einer Schönen beschließt«, sagte jemand aus der Menge.
»Das wird bei dieser Gelegenheit nicht der Fall sein«, bemerkte Grimsdyke hämisch.
»Es gibt noch eine Kleinigkeit zu klären«, warf Ken ein. »Wie machen wir ihn ausfindig?«
»Das«, sagte Grimsdyke, »ist einfach. Morgen abend, punkt sechs Uhr wird er vor dem Atelier des Photographen Godfri in Chelsea sein.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Ken erstaunt.
»Ich habe meine Quellen. Ihr könnt euch darauf verlassen. Aber um ganz sicher zu sein, werde ich fünf Minuten vorher dort sein. Ah, mein Drink, Summerbee. Dankt schön. Also, meine Herren, der Rest liegt an Ihnen!« Er erhob sein Glas. »Und vergeßt nicht: die Ehre von St. Swithin.«
19
Wer den Haushalt des Deans am folgenden Morgen um halb sieben untersucht hätte - einen Längsschnitt an ihm vorgenommen hätte wie bei manchen anatomischen Präparaten des Brustkastens oder Unterleibs -, der hätte für die frühe Stunde an einem Donnerstag im Mai ein überraschendes Ausmaß an Betriebsamkeit feststellen können.
George, der Sohn des Deans, schlief in einer Kammer im obersten Stockwerk. Seine Augen waren fest geschlossen, seine dicklichen Wangen prusteten leicht, sein Haar, das er wachsen zu lassen versuchte, fiel unordentlich über seine Stubsnase und bewegte sich bei jedem Atemzug. Inga, das Au-pair-Mädchen, stieß ihn mit dem Ellbogen leicht in den Magen.
»Zeit, aufzustehen«, flüsterte sie.
George schlug die Augen auf und schaute um sich. »Ich muß wieder eingedöst sein. Es ist ja schon hell.«
»Ich muß schauen, daß ich weiterkomme. Um sieben bringe ich den Tee.«
»Haben wir nicht Zeit für noch einen?« fragte er hoffnungsvoll.
Sie tippte mit dem Finger spielerisch auf seine Nasenspitze. »Nein, du hast genug gehabt.«
Er setzte sich auf und langte nach seinem Pyjama, der auf dem Boden lag. »Glaubst du, daß irgend jemand im Haus was gemerkt hat?«
Sie stützte sich mit einem Ellbogen auf das Kissen. »Vielleicht. Macht das was? Das ist doch eine ganz natürliche Sache.«
»Meinem Vater mag das nicht so ganz natürlich Vorkommen«, meinte er zweifelnd.
Inga strich sich eine blonde Strähne aus den Augen. »Er ist zu beschäftigt, um etwas zu merken, glaube ich. Er hat immer nur kranke Leute im Kopf.« Sie seufzte. »Deine arme Mutter!«
»Mama? Ich würde sagen, sie hat es ganz schön. Kaum etwas im Haushalt zu tun.«
»Dein Vater ist sogar zu beschäftigt, um mit ihr zu schlafen.«
»Wirklich?« George grinste. »Komisch, aber ich bringe Papa nie mit so etwas in Verbindung. Ich hab’ mir immer vorgestellt, um die Dreißig wächst man da langsam heraus.«
»Auch deiner Schwester geht allerhand im Kopf herum. Sie ist verliebt, das sieht ein Blinder.«
»Sie hat sich in den letzten Tagen recht merkwürdig benommen, das gebe ich zu.«
»Was Miss MacNish anbelangt - was soll man da sagen? Sie ist sehr geheimnisvoll.«
»Ungefähr so geheimnisvoll wie eine Schnitte ihres Apfelkuchens.«
Inga schüttelte weise das Haupt. »Irgend etwas Seltsames ist um sie. Wie bei Ibsen.«
»Inga,
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