Fingermanns Rache
raus. Du taugst nicht einmal für die Ablage.«
»Aber Bernhard …«
»Und die Vertraulichkeit kannst du dir sparen. Viel zu lange habe ich Nachsicht geübt. Dein Umgangston, dein Verhalten Mitarbeitern gegenüber ist unerträglich. Du ignorierst ständig meine Anweisungen. Habe ich dir nicht auch gesagt, dass ich jeden Text von Arndt lesen will, bevor er veröffentlicht wird?«
Bakker wich Schortens Blick aus. »Es war schon spät, als Arndt den Text abgeliefert hat. Ich wollte dich nicht mehr stören. Ich dachte, das geht so schon in Ordnung.«
»Du denkst ziemlich viel, nur merkt es keiner.«
»Ich finde, du übertreibst jetzt.«
»Der Meinung bin ich nicht. Viel zu lange habe ich dein Benehmen akzeptiert. Damit ist nun Schluss. Und jetzt raus!«
Bakker stand auf. »So lass ich nicht mit mir reden.«
Schorten schrie: » RAUS !«
Als Bakker das Büro verlassen hatte, bedeutete Schorten Marion zu bleiben. Während er fahrig seinen Schreibtisch aufräumte und den Computer hochfuhr, stellte sie fest: »Ihnen geht es nicht gut.«
»Nein, nicht besonders.« Schorten versuchte zu lächeln. »Aber das Leben ist nun mal hart, wie man so schön sagt.« Auch sein zweites Lächeln misslang. »Ein bisschen Geduld, ich hab’s gleich«, fügte er an und öffnete die E-Mail des Entführers. Aufmerksam las er den Text, dem er nichts Auffälliges entnehmen konnte. Dann spielte er die Nachricht mit dem Lebenszeichen des Entführungsopfers ab. »Wie gehabt«, sagte er.
Marion nickte.
»Was meint der Psychologe?«
»Viele Worte und wenig Substanz. Im Grunde weiß er genauso wenig wie wir.«
»Wie immer, nicht wahr?«
Marion nickte abermals, und Schorten gelang diesmal das Lächeln, er wirkte jetzt sichtlich entspannter. Marion nutzte den Augenblick und fragte: »Ihnen ist sicher nicht entgangen, dass der Entführer unsere Arbeit vorwegnimmt beziehungsweise uns auf von ihm gelegte Spuren führt?«
»Durchaus nicht. Das liegt aber in der Natur der Sache. Er liefert uns Hinweise, denen wir nachgehen müssen.«
»Ja, aber dadurch verlieren wir die Souveränität. Wir reagieren, anstatt zu agieren.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Wir sollten uns mit Herrn Arndts Ausführungen beschäftigen, und zwar mit jenen, die er nicht aus der E-Mail ableiten kann. Wie Sie sicher bemerkt haben, steht nichts über Ihre Frau darin. Deshalb müssen wir, auch wenn es Ihnen aus verständlichen Gründen schwerfällt, die Frage stellen, wie er vom Verschwinden Ihrer Frau wissen konnte.«
Schorten musterte Marion, die seinem Blick standhielt, und entgegnete: »Sie haben natürlich recht. Von einem Zufall kann man kaum ausgehen.«
»Gut«, sagte sie. »Die Frage ist, woher hatte Arndt die Information? Wer weiß außer Ihnen davon?«
»Magnus Westermark, er ist ein guter Freund, und natürlich meine Tochter«, antwortete Schorten, Mendel ließ er aus dem Spiel, das ging Tesic nichts an.
»Und kann einer von den beiden mit Arndt im Kontakt stehen?«
»Nein, aber …« Schorten schüttelte den Kopf. »Wie konnte ich das nur vergessen?« Er tippte eine Internetadresse ein, und auf dem Bildschirm erschien das Tagebuch seiner Tochter. Sofort sah er den Eintrag. Tonlos sagte er: »Hier, lesen Sie. Den Hinweis hatte ich ja von Ihnen.«
Marion überflog den Text. Gestern Abend um 20 Uhr 13 hatte Schortens Tochter der Welt mitgeteilt, dass ihre Mutter ihren Vater verlassen hatte.
»Das war eine Stunde, bevor Arndts Text abgeschickt wurde«, stellte sie fest.
Schorten lehnte sich zurück und sagte: »So einfach ist das also. Arndt liest in Maikes Blog und verarbeitet die Information sofort in seiner Geschichte.«
»Es sieht ganz danach aus«, entgegnete Marion enttäuscht; sie hatte mit einer sicheren Spur gerechnet.
Schorten überflog noch ein paar Seiten des Tagebuchs, dann schloss er die Webseite. »Verrückt, was Maike alles dem Internet anvertraut, nicht wahr?«
Marion zuckte mit den Schultern. »Ihre Tochter ist da nur eine von vielen. Ich habe es Ihnen ja gesagt.«
Seufzend schob Schorten die Tastatur weg und erwiderte: »Ich werde dafür sorgen, dass das gelöscht wird.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Haben Sie Vorschläge für unsere weitere Vorgehensweise?«
»Ja. Auch wenn wir Arndt bisher nichts nachweisen können, bleibt er unser Hauptverdächtiger, der Verdacht hat sich sogar erhärtet. Wie wir jetzt wissen, war Arndt im Tromptower Kinderheim, also ausgerechnet in dem Heim, auf dessen Missstände
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