Fingermanns Rache
berührte, erschien eine Nachricht:
Hallo, Herr Hauptkommissar,
schön, dass Sie weiterhin mitspielen. Ich habe eine Ratte in meinem Gewahrsam. Wenn Sie sich nicht beeilen, verliert sie ihre Krallen. Auf jeden Fall wird sie aber ihre Unschuld verlieren.
Wilbur Arndt
Die Nachricht verschwand, und ein Bild von Hilde Rensch erschien. Sie war gefesselt und offenbar betäubt. Darunter stand:
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Illsen betätigte die Maus, und ein neuer Text wurde eingeblendet:
Dieser Rechner vernichtet sich in fünf Sekunden selbst.
Illsen und Mendel schauten sich an und rannten aus dem Wohnzimmer. Beide kauerten sich hinter eine massive Kommode im Flur. Nach fünf Sekunden geschah nichts, nach zehn Sekunden vernahmen sie Arndts Stimme aus den PC -Lautsprechern. »Das war doch nur ein Scherz, meine Herren.«
*
Wieder ein Stich in den Hals. Allmählich kehrten Hilde Renschs Kräfte zurück.
»Wir müssen uns beeilen, Hilde«, sagte Arndts Stimme in ihrem Rücken. Anscheinend war sie noch nicht bei vollem Bewusstsein – Arndt war tot.
»Auf keinen ist mehr Verlass«, fuhr die Stimme fort. »Selbst die Polizei ist schneller als erlaubt. Eigentlich dachte ich, wir hätten einen ganzen Tag.«
Rensch schlug die Augen auf. Ihre Hände waren noch immer an der Metallplatte fixiert. Die linke ruhte auf einem Schalter, die rechte lag unter dem Stempel einer Stanze.
»Bei dir wird es die halbe Hand sein, Hilde. Das ist das Mindeste.«
Rensch zerrte an ihren Fesseln. Ihr Blick wanderte das gusseiserne Gestell hinauf. Die zwei Antriebsräder drehten sich bereits. Das mächtige Schwungrad wartete nur auf den Impuls, dann würde sich die Spindel unaufhaltsam in Bewegung setzen.
»Das Prinzip kennst du ja. Die Stanze hat eine Schließkraft von fünfzehn Tonnen. Ist eine aus der Werkstatt deines Vaters. Hab ich extra besorgt.«
Die aufsteigende Panik machte sich durch ein Zittern in ihren Händen bemerkbar. Rensch drehte ihren Kopf. Der Entführer entzog sich ihrem Blickfeld, kam aber immer näher. Plötzlich packte eine Hand sie am Kinn und hielt ihren Kopf fest. Warme Lippen berührten ihr Ohr und flüsterten: »Der Fingermann, er kommt bei Nacht und hat die Schere mitgebracht.«
Die Hand drehte ihren Kopf. Rensch blickte in ein Gesicht, das es nicht geben durfte. Renschs Unterlippe bebte. »Herr Arndt, bitte. Das kann doch nicht sein. Sie sind doch …«
»Tot? Deine Angst, Hildchen – so hat dich doch dein Vater immer genannt, nicht wahr? –, deine Angst bereitet mir, wie soll ich sagen, sie bereitet mir so eine Art Orgasmus. Dieses Gefühl wirst du doch noch kennen? So ähnlich hast du doch auch immer empfunden, damals, als du mich gequält hast, als du diese grenzenlose Macht hattest.«
Renschs Stimme überschlug sich. »Sie können nicht Arndt sein. Sie sind ein Schauspieler, ein Double. Was wollen Sie von mir?«
»Wenn die Realität der Vernunft widerspricht, dann versucht die Vernunft, die Realität zu ändern. Aber es ist hoffnungslos, Hildchen – dein Mordanschlag hat einen anderen getroffen. Loki hat sich für die große Sache geopfert.«
»Mordanschlag? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Oh, Hildchen, das ist gut. Selbst in dieser ausweglosen Situation arbeitet dein Verstand. Einmal Anwalt, immer Anwalt. Nie etwas Verfängliches sagen, es könnte später gegen einen selbst verwendet werden. Lass mich das Ganze erklären – zuvor solltest du aber das unpersönliche Sie ablegen, wo wir uns doch schon so lange kennen. Sagt dir der Name Konstantin Athlon etwas?«
»Sie sind Konstantin?«
»Jetzt beginnen die kleinen Rädchen im Gehirn zu arbeiten, ich kann schon hören, wie sie ineinandergreifen. Eine dumpfe Ahnung nimmt Gestalt an. Vergangene, grausam schöne Zeiten erwachen zu neuem Leben. Es waren an die hundert Jungs, alle geeignete Opfer. Du und Cora, das perfekte Team. Erst der Spott und die Quälerei, dann mit fortschreitender Pubertät das Ausleben sexueller Phantasien. Als ihr überzogen habt, wurdet ihr weggebracht. Doch zuvor habt ihr Konrad, der dir jetzt als Loki bekannt ist, um einen Finger erleichtert.«
Arndts Atem schlug ihr entgegen, seine Stimme wurde lauter. »Was macht man damit?« Dann schrie er: »Hängt man sich so was um den Hals?«
Seine Faust krachte auf den Tisch, Rensch zuckte zusammen. Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich verhalten sollte. Das alles wurde sicher aufgezeichnet, sie durfte sich nicht verraten. Auf der anderen Seite
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