Fingermanns Rache
der Lage.
Zwischen ihren Notizen steckte das Bild der Wärterinnen. Marion betrachtete es eingehend. Hilde Kronthal und Cora Bürk. Den beiden galt Arndts Rache, sie waren seine Achillesferse. Plötzlich kam Marion ein verrückter Gedanke. Der Name, das Gesicht. Eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden. Auch das Alter passte. Warum nicht? Einen Versuch war es wert.
Marion rief Kai Mendel an. Der wollte ein Gespräch beginnen – wo sie war, wie es ihr ging, was sie herausgefunden hatte, aber dafür war keine Zeit. Sie würgte seine freundliche Nachfrage ab und sagte: »Kai, ich muss den Mädchennamen der Staatsanwältin Rensch wissen – falls die überhaupt mal verheiratet war.«
»Aha, ermitteln wir jetzt schon in den eigenen Reihen?«
»Nein. Es ist nur so eine Vermutung.«
»Ich könnte da mal die Sekretärin vom Chef fragen. Die war schon zu tiefsten DDR -Zeiten in Amt und Würden.«
»Gut, mach das. Aber sei um Gottes willen vorsichtig.«
»Bin ich immer, wenn es um meinen Job geht.«
»Und jag die Namen Hilde Kronthal und Cora Bürk noch durch die Datenbank. Man weiß ja nie.«
»Hilde Kronthal und Cora Bürk«, echote Mendel. »Wird gemacht.«
Kurz darauf rief er zurück.
»Also die Datenbank gibt nichts her, aber Sandts Sekretärin weiß einiges über die Staatsanwältin zu berichten: Die gute Frau Rensch war zweimal verheiratet. Erst mit einem NVA -Offizier und danach mit einem reichen Industriellen, der aber früh verstorben ist. Seitdem ist sie finanziell abgesichert.«
»Das ist ja alles sehr interessant, aber wie lautet ihr Mädchenname?«, fragte Marion ungeduldig.
»Unsere Frau Rensch hieß früher Kronthal. Da hast du also einen der gesuchten Namen. Ihr Vater war übrigens ein äußerst einflussreicher Funktionär.«
Marion zog hörbar die Luft ein. »Kai, ich muss sofort die Rensch sprechen, Erklärung erfolgt später«, sagte sie und drückte ihn weg.
»Sie schon wieder – ich hab zu tun.« Illsen klang äußerst ungehalten.
»Ich erreiche Frau Rensch nicht.«
»Was wollen Sie denn von der Staatsanwältin?«
»Sie ist in Gefahr. Wilbur Arndt hat sie im Visier.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
»Dann haben wir ein ernsthaftes Problem. Frau Rensch ist heute Morgen nämlich nicht zum Dienst erschienen.«
*
Schmerzen im Nacken weckten Hilde Rensch. Ihr Kopf war überstreckt. Mühsam versuchte sie sich aufzurichten. Das Kinn fiel ihr auf die Brust, ihre Augenlider wollten ihr nicht gehorchen – schwer wie Blei, ließen sie sich kaum öffnen. Kurz sah sie ihre Hände. Sie waren mit Lederriemen auf einer Art Tisch befestigt. Rensch kämpfte gegen den Nebel an, der ihr Bewusstsein verschleierte. Was war geschehen? Gerade noch hatte sie in der Küche das Abendessen vorbereitet, dann war da diese Hand, die ihr den Mund zuhielt und dieser Stich in den Hals. Danach folgte Dunkelheit.
Rensch zuckte, sie musste schon wieder weggewesen sein. Noch immer konnte sie sich kaum orientieren – was hatte man ihr nur gespritzt? Sie saß auf einem Stuhl. Ihre Beine waren gefesselt, ein Gurt verhinderte, dass sie vornüberkippte. Ihre Hände waren kalt, sie ruhten auf einer Metallplatte. Wenn sie doch nur endlich ihre Augen aufbekommen würde. Rensch mühte sich, ihr Kopf fiel wieder in den Nacken – sie hatte keine Kraft, ihn zu halten. Endlich ein Licht, Schleier vor ihren Augen, dann ein Gesicht.
Was sie sah, verlangte nach einem Schrei, doch Rensch konnte nur röcheln.
»Überraschung«, sagte Wilbur Arndt. Rensch verlor wieder das Bewusstsein.
*
Illsen und Mendel fuhren mit Blaulicht zu Renschs Wohnung. Noch war die Sachlage nicht ganz klar, noch konnte sich alles als ein Irrtum erweisen.
»Bei ihrem Arzt war sie auf jeden Fall nicht«, sagte Kai Mendel und nahm das Handy vom Ohr.
»Und Freunde, Bekannte?«, fragte Illsen.
»Freunde hat die nicht«, entgegnete Mendel. »Ein paar Verwandte gibt es. Das wird gerade gecheckt.«
Die Wohnungstür war verschlossen, niemand reagierte auf das Klingeln. Illsen trat gegen die Tür, das Schloss gab nach. Im Eingangsbereich war es dunkel, das Licht funktionierte nicht. Die beiden Polizisten zogen ihre Waffen. Auch im Wohnzimmer kein Licht. Dafür lief der PC . Auf dem Bildschirm konnten sie sich selbst erkennen.
»Eine Webcam«, sagte Mendel und zeigte in die Ecke des Zimmers, dort leuchtete ein rotes Licht.
»Diese verdammten Kameras gehen mir allmählich auf die Nerven«, fluchte Illsen und setzte sich an den Computer. Als er die Maus
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