Fingermanns Rache
wird sich an die Entführungsgeschichte und den Tod des dicken Bullen erinnern, und manch einer wird sich fragen: Wozu das alles? Um diese Frage zu beantworten, bin ich hier.
Die Geschichte strebt nun dem Höhepunkt entgegen. Nachdem die Polizei einige Erfolge zu verbuchen hat, schlage ich zurück und präsentiere eine neue, eine mir wirklich am Herzen liegende Geisel. Sie stammt aus den Reihen des Gegners und ist so ziemlich die widerlichste Person, die ich kenne. Ihr Name ist Dr. Hilde Rensch, eine Staatsanwältin. Uns beide verbindet einiges. Was das im Einzelnen ist, könnt ihr herausfinden. Ja, ich biete euch hier und jetzt die einmalige Möglichkeit, einen großen Skandal aufzudecken. Ihr müsst nur schneller als die Polizei sein, die, nach Sichtung dieses Videos, ihren ganzen Apparat in Bewegung setzen wird, um die gute Frau Rensch zu retten.«
Arndt machte eine Pause und lehnte sich zurück.
»Bevor ich mich nun aber verabschiede, habe ich noch einen heißen Tipp: Wer auch immer sich an der Suche beteiligt, egal ob Staatsmacht oder einfacher Bürger: Beeilt euch, legt euch richtig ins Zeug, denn sonst tut der Fingermann seine Pflicht.«
Wilbur Arndts Gesicht erstarrte, es wurde grobkörnig und zerfiel in einzelne Pixel, die sich zu einem neuen Bild ordneten. Eine von Strapazen gezeichnete Hilde Rensch war zu erkennen, die versuchte, das Zittern ihrer linken Hand zu unterdrücken. Circa fünfzehn Sekunden lang wurde ihr verzweifelter Kampf gezeigt, dann zerfiel auch dieses Bild und machte folgendem Schriftzug Platz:
Wilbur Arndt für die ganze Welt. Fortsetzung folgt.
*
Das Video flimmerte zum x-ten Mal über den Bildschirm.
»Was sagen die Verantwortlichen von Youtube?«, fragte Kriminaldirektor Sandt.
»Sie versuchen, den Film zu sperren«, antwortete Kai Mendel.
»Was heißt das, sie versuchen es?«
»Nun, inzwischen ist das Video so weit verbreitet, dass es immer wieder ins Netz gestellt wird. Die Aufsicht von Youtube kommt wahrscheinlich gar nicht hinterher. Blockieren sie einen, sind sofort zwei neue da.«
»Das ist ja reine Anarchie. Warum lassen die so was überhaupt zu? Wieso wird das nicht schon von vornherein verhindert?«
»Dazu muss man die Youtube-Regeln kennen. Prinzipiell sind extreme Gewaltdarstellungen verboten. Beurteilt wird dies durch die Nutzer dieser Videoplattform. Es existiert also eine Art Selbstkontrolle. Wenn jemand den Beitrag für unangemessen hält, meldet er dies an die Verantwortlichen, und die entscheiden dann, ob sie das betreffende Video sperren. In unserem Fall erfolgte die Meldung recht spät. Und da ein großer Teil der Nutzer Sympathien für Wilbur Arndt hegt, ist die Welle wohl nicht mehr aufzuhalten.«
»Na wunderbar. Arndt fordert zu einem Wettstreit mit der Polizei auf, und wir können nichts dagegen tun. Wer weiß, wie viele Verrückte jetzt schon die Straßen auf der Suche nach Hilde Rensch durchkämmen. Das Gleiche hatten wir erst vor zwei Tagen, als alle Welt nach Fabian Flaig gesucht hat. Arndt schafft es immer wieder, neue Fronten aufzumachen und uns unter Druck zu setzen.«
»Ja, nur ist die Sache jetzt weitaus schlimmer. In diversen Foren wird er schon als Held gefeiert, und das nicht nur deutschland –, sondern weltweit. Er ist der Mann, der von den Toten auferstanden ist und der die Obrigkeit an der Nase herumführt. Dass er ein Verbrecher ist, interessiert nur wenige. Staatsanwältin Rensch steht für den hassenswerten Staat, den es zu bekämpfen gilt. Ihre Geiselnahme ist ein notwendiges Übel.«
Es klopfte, und Sandts Sekretärin trat ein. »Die Nachricht wird jetzt schon in Funk und Fernsehen verbreitet. Unzählige Journalisten haben angerufen, und der Innensenator will Sie nochmals sprechen.«
Der Kriminaldirektor nickte gequält. »Ich werde ihn gleich zurückrufen. Ansonsten bin ich nicht zu sprechen.«
Als die Sekretärin den Raum verlassen hatte, wandte sich Sandt an Peter Illsen, der sich bisher merklich zurückgehalten hatte. »Jetzt ist genau das eingetreten, was wir vermeiden wollten. Wie konnten Sie nur die Pressemitteilung vergessen, Herr Illsen?«
»Ich habe die Mitteilung nicht vergessen. Ich hatte nur keine Zeit, sie weiterzugeben, weil wir zu Renschs Wohnung mussten. Das hatte Priorität.«
»Aber auf dem Weg dorthin hatten Sie ausreichend Zeit, mich darüber in Kenntnis zu setzen. Das war ein schweres Versäumnis, Herr Illsen.«
Illsen setzte zu einer Entgegnung an, ließ es dann aber sein.
»Und die Informationen,
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