Finish - Roman
hat noch niemanden davon abgehalten, auf sie zu wetten. Also werden wir dich und Billy Joe als richtig feine Gentlemen verkleiden, ordentlich absahnen und obendrein noch Ferien machen. Du, Buck, fährst ein paar Wochen eher los und trainierst mit meinem sehr guten Freund und weltbesten Lauftrainer George Grimthorp aus Norfolk, und wir anderen kommen ein paar Wochen später zu den Meisterschaften nach.«
Buck starrte lächelnd ins Feuer. Diesmal würde er es ihnen zeigen. Einzeltraining mit dem besten Trainer der Welt!
»Und noch etwas«, sagte Moriarty. »Die Amateurbeglaubigungsschreiben. Für die Leute vom englischen Amateurverband.«
»Und wer, um alles in der Welt, sollte Buck und Billy Joe so ein Schreiben ausstellen?«, fragte Eleanor.
Moriarty zog bedächtig an seiner Zigarre und blickte schweigend in die Runde. »Kein anderer als der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten, Bucks und mein Freund General George A. Custer.«
Es hatte nicht so geklappt, wie Moriarty gehofft hatte. Im Juli und August war Billy Joe zwei Rennen in Chicago und Boston gelaufen und hatte beide mit Leichtigkeit gewonnen,doch im September hatte er sich darauf eingelassen, gegen einen Iren namens Maloney anzutreten, der geradewegs aus County Kerry eingetroffen war und von einem Buchmacher namens Seamus Flynn gesponsert wurde. Maloney, der sich mit stolzen Ergebnissen im Weit- und Dreisprung brüstete, war eher ein schneller, schwungvoller Läufer, denn ein echter Sprinter. Letztlich war es nur der glühenden Sentimentalität der New Yorker Iren zu verdanken, dass der Wettlauf zustande kam.
Am 28. September hatten sich 10 000 New Yorker an der Rennbahn von Hoboken versammelt, um den Wettlauf zwischen Maloney und dem Texaner mit dem Känguru-Start zu sehen. Billy Joe hatte den Mann aus Kerry auf den ersten 20 Metern abserviert und lag zehn Meter vor dem Ziel gut zwei Meter vorn. Der Texaner lief wie in einem süßen Rausch, vollkommen schwerelos glitt er mit fliegenden Beinen über die Rasenbahn und ließ jegliche Hoffnungen auf ein enges Kopf-an-Kopf-Duell und eine Wiederholung zerplatzen.
Dann, als er sich ins Zielband warf, passierte es – das Messer im Bein. So fühlte es sich für Billy Joe zumindest an, als hätte ihm jemand eine Klinge hinten in seinen rechten Oberschenkel gerammt. Er riss das Bein hoch und umklammerte hopsend seinen Schenkel, während Moriarty, Buck und Mandy sich alarmiert um ihn drängten.
Es war das, was jeder Sprinter fürchtet – eine Muskelzerrung, und eine schlimme dazu. Daran, dass Billy Joe Buck sofort nach England nachreiste, war nicht zu denken. Er musste sich in New York gründlich behandeln lassen und später nachkommen, um Buck bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. Und bei den Amateurmeisterschaften im April würde Buck allein die Fahne hochhalten müssen.
Zum ersten Mal seit Jahren war Billy Joe kein Sportler mehr. Tagelang konnte er nur humpeln und spürte die Verletzung wie ein Geschwür, das tief im dicken Muskelstrang an der Rückseite seines Oberschenkels lauerte. Von einemMoment zum anderen war er vom Schnellen Mann, der wie ein geölter Blitz über die Aschenbahn schoss, zu einem Niemand geworden, der nicht einmal einem siebzigjährigen Mütterchen davonlaufen konnte.
Der »Anatomieexperte« Dr. Gottinger, zu dem Moriarty ihn geschickt hatte, konnte nichts ausrichten. Er mochte ein fähiger Mediziner sein, doch von Muskelverletzungen verstand er so viel wie vom menschlichen Gehirn. Gottinger verschrieb Ruhe, Wasserbehandlungen und eine Entschlackungskur, um die Muskeln von Giftstoffen zu befreien.
Die Wasserkur an Gottingers Heinrich-Institut, das auf die Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit spezialisiert war, bestand aus einer wilden Mischung kalter Tauchbäder, Abführmittel und Duschen, aus denen Billy Joe blaugefroren und von Gänsehaut überzogen wieder herauskam. Die Entschlackung war nichts anderes als eine teutonische Version der Englischen Methode – und fast hätte er sich bei seinen Sprints zum Klo den anderen Oberschenkelmuskel auch noch gezerrt.
Glücklicherweise bestand Moriarty auf zusätzlichen Massagen, und so lag Billy Joe jeden Tag bäuchlings in seinem schummrigen Zimmer und ließ sich von Moriarty übelriechende Pferdesalbe in die Rückseite des rechten Oberschenkels massieren.
Doch Moriarty wusste, dass Entschlackung und Massagen allein nicht ausreichten. Noch nie zuvor war Billy Joe verletzt gewesen, und es überstieg sein
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