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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Vorstellungsvermögen, im gegenwärtigen Zustand daran zu denken, dass er eines schönen Sommertags vollständig wiederhergestellt wäre und es wie zuvor mit den besten Läufern der Nation aufnehmen könnte. Und so erzählte Moriarty ihm jeden Tag von großen Läufern der Vergangenheit, die nach einer Verletzung besser gelaufen waren denn je, von Jackson aus Barnsley, Wight aus Jedburgh, Cole aus Pontypridd. Bei Moriarty klang das so, als sei Billy Joes Verletzung ein Kratzer.
    Als Buck das winterliche New York auf der S.S. Harold verließ, hatten Swift Dog und seine Krieger die Schmach von Deer Leap endgültig getilgt. General George A. Custer und sämtliche seiner Soldaten lagen tot am Little Big Horn.
    Genau wie Moriarty in den Jahren zuvor, reiste Buck Erster Klasse, und wie Deerfoot und Moriarty drehte auch er täglich seine Runden über das schwankende, rutschige Schiffsdeck. Jetzt war Bucks Stunde gekommen, in der er sich ein für alle Mal aus Billy Joes Schatten befreien würde. Jeden Tag trottete er über die gischtgepeitschten Planken, um seine Beine geschmeidig zu halten, und an windstillen, trockenen Tagen gelang es ihm in der ersten Woche sogar, ein paar schnellere 80-Meter-Sprints einzulegen und seine Sprintmuskeln in Übung zu halten.
    Er musste zugeben, dass er Billy Joe vermisste; der lässige, entspannte Texaner hatte vieles, was ihm selbst fehlte. Das Leben fiel seinem Freund ebenso leicht wie das Laufen. Als wäre es ein improvisiertes Stück, das dennoch stets zu einem guten Ende kam.
    Nur in einem Punkt war Buck seinem Freund deutlich voraus, und das waren Frauen. In dieser Hinsicht stand Bucks Charme Billy Joes läuferischem Können in nichts nach. Doch über dieses Ungleichgewicht hatte Buck ebenso wenig nachgedacht wie Billy Joe über ihre Unterschiede als Läufer. Der schlagfertige, unbekümmerte Billy Joe besaß die Fähigkeit, die dunklen Schatten aus Buck Millers Gemüt zu vertreiben. Das Absurde war nur, dass er selbst einer dieser Schatten war.
    Tief in seinem Herzen hegte Buck die Überzeugung, dass er Billy Joe schlagen konnte. Jedes Mal, wenn sie einen Bluff auf die Beine stellten, hatte er wie ein Besessener trainiert, um diesen winzigen, unerbittlichen Meter zwischen sich und dem Texaner zu überwinden – selbst auf die Gefahr hin, dass der ganze Schwindel dann für die Katz sein würde. Irgendwie ahnte er, dass Moriarty ihm einen solchenTriumph nicht übel genommen hätte – abgesehen von dem verlorenen Geld, denn der Schotte besaß eine seltsam puritanische Ader.
    Buck spürte, dass er sich in England endlich beweisen und sämtliche Lords und Marquis niedermachen würde. Er würde schneller laufen, als je ein Mann gelaufen war, schneller noch als der Indianer höchstpersönlich. Und so vollführte Buck auf dem knarrenden Kajütenboden Hunderte Kniebeugen und Liegestütze, während die S.S. Harold über die grünen Wellenberge des Atlantiks rollte.
    Das Schiff hatte 141 zahlende Passagiere an Bord, die sich vom ersten Tag an eines äußerst regen gesellschaftlichen Treibens erfreuen durften, von Deckspielen über Bridge bis zu Pianoabenden.
    Buck, der Tag für Tag seinen Körper eisern trainierte, bekam von alledem nichts mit. Mit 72 Kilo hatte er leicht an Körpergewicht zugelegt und hoffte, dieses Gewicht bis zum Ende seiner Seereise zu halten. Die restlichen zweieinhalb Kilo würde er während der dreimonatigen Vorbereitung auf die englischen Meisterschaften mit Grimthorp in Norfolk abtrainieren. Während der ersten Woche aß er jeden Abend allein in einer Ecke des Speisesaals, ehe die anderen Gäste eintrafen, und beschränkte sich auf Brot, Fleisch und einen dunklen Porter, den Moriarty ihm empfohlen hatte. Dann kehrte er in seine Kabine zurück.
    Während Buck am 10. Januar 1877 nach vier Tagen auf See ein Plakat mit der Ankündigung eines Musikabends studierte, war in zahlreichen englischen Sportzeitungen bereits von seiner bevorstehenden Ankunft zu lesen. Der erste Hinweis war im Dezember in der wöchentlichen Kolumne »Neues von der Aschenbahn« in der Sporting Life erschienen. Hinter dem Verfasser mit dem Pseudonym »Ein alter Läufer« verbarg sich Arthur Figg, der während Deerfoots Englandtournee gegen ihn gelaufen war.
    NEUES VON DER ASCHENBAHN
    Von der anderen Seite des großen Teiches erreicht uns die Neuigkeit, dass zwei Cowboys aus dem Wilden Westen namens Buck Miller und Billy Joe Speed bei den Kurzstreckenläufen der Amateurmeisterschaften antreten werden,

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