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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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regelmäßig geschwitzt, und zu Moriartys Freude lief der Stuhlgang wie geschmiert. Dann hatte er sich am 28. Juni eine leichte Grippe eingefangen und den einzigen Arzt in San Rafael, den renommierten Doktor Halliwell, aufgesucht. Wie jeder in der Gegend war auch der Doktor über den Wettkampf in Yuta County genauestens im Bilde und hatte Moriarty in seiner dämmrigen kleinen Praxis eingehend untersucht und mit einer ordentlichen Dosis Medikamenten behandelt.
    Als er fertig war, hatte er seinen Patienten in einem Stuhl gegenüber Platz nehmen lassen.
    »Moriarty«, hob er an. »Ich will nicht lange drum herumreden. Hatten Sie jemals Probleme mit dem Herzen?«
    Der Schotte spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog. »Als ich ein Junge war«, antwortete er und erzählte dem Arzt von seinem Lauf im Schnee gegen Latour 1859 in New York.
    »Nun«, sagte Halliwell. »Sie haben ein Herzgeräusch.«
    »Was bedeutet das?«
    Halliwell schenkte sich einen Schluck Whiskey ein und bot Moriarty ein Glas an. Der Schotte schüttelte den Kopf.
    »Wir Mediziner wissen nicht viel, Moriarty, auch wenn es vielleicht nicht den Anschein hat und die meisten Menschen das nicht glauben wollen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind wie Klempner, die versuchen, wertvolle Schweizer Uhren zu reparieren.«
    Halliwell machte eine Pause und nahm einen Schluck Whiskey. »Aber ein Herzgeräusch ist ein Herzgeräusch. Möchten Sie meine Vermutung hören?«
    Moriarty nickte. Sein Puls raste.
    »Ein Kollege von mir oben in Boston musste vor rund sechs Jahren einmal eine Autopsie durchführen. Der Verstorbene war ein fünfunddreißigjähriger Mann, an den Namen erinnere ich mich nicht mehr. Er war sein Leben lang ein großer Sportler gewesen, als Junge war er Ruderwettkämpfe gefahren, jeden gottverdammten Tag hatte er gerudert, bei Regen, Sonne und Schnee.«
    Halliwell griff wieder zum Glas. »Dann, eines Tages, ist er in seinem Boot vornüber gekippt und war mausetot. In seinem Testament hat er seinen Leichnam der Wissenschaft vermacht, und deshalb hat mein Kollege die Autopsie durchgeführt. Wissen Sie, was er gefunden hat?«
    Er machte eine Pause. »Wir Mediziner nennen es ›Sportlerherz‹. Ein Herz so groß wie ein Kürbis. Ganz schlaff und schwach und ausgeleiert.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nach meinem Dafürhalten gibt es Leistungsgrenzen, die der menschliche Körper nicht überschreiten sollte. Mein Freund ist der Meinung, unser Herz sei wie ein Stück Gummiband. Wenn man zu sehr daranzieht, ist es hin, kann nicht mehr pumpen. Verstehen Sie, was ich meine? Kaputt, überdehnt, ohne Saft. Ich will damit nicht sagen, dass das auch bei Ihnen passiert ist. Zumindest noch nicht. Was ich damit sagen will, ist, dass der Wettkampf von Yuta County der letzte Tropfen sein könnte, der das Fass zum Bersten bringt. Sie sind kein junger Springinsfeld mehr. Sie sind 39. Über welche Distanz geht das Rennen?«
    »Das wissen Sie doch, Doc.«
    »Für Sie sind es 15 Meilen, überwiegend zu Fuß. Sie dürfen zwar auch reiten, aber nur sehr selten, weil Sie Ihre Sprinter frisch halten müssen. Hinzu kommt die Hitze, und dann sind da noch die verfluchten Berge. So ein Wettlauf würde schon die meisten jungen Männer zu Krüppeln machen, Männer, die noch voll im Saft stehen. Und Sie sind schon weit in den mittleren Jahren, Moriarty.«
    Moriarty runzelte kopfschüttelnd die Stirn. »Doc, vor 20 Jahren hat mir einer Ihrer Kollegen gesagt, ich hätte ein Sportlerherz. Seitdem bin ich bestimmt 1000 Rennen gelaufen und hatte nicht die geringsten Beschwerden.«
    Halliwell klappte sein Stethoskop zusammen und ließ es in seine Tasche gleiten. »Wissen Sie, was ich Ihnen raten würde?«, sagte er.
    Moriarty machte ein finsteres Gesicht und schwieg.
    Halliwell seufzte. »Ziehen Sie sich aus der Sache zurück. Suchen Sie einen jüngeren Mann, einen mit genug Hunger und Kraft in den Beinen. Sie haben es doch weniger auf den Ruhm als auf das Geld abgesehen, richtig?«
    Moriarty nickte, doch im Grunde seines Herzens wusste er, dass er log. Er stand auf und schüttelte Halliwell die Hand. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich nicht mehr jung. Natürlich wollte er das Geld, denn es sicherte ihm seine Zukunft. Doch als er aus Doktor Halliwells dunkler Praxis ins gleißende Sonnenlicht trat, wusste Moriarty, dass er laufen würde. Seit er Bill Brennan das erste Mal begegnet war, hatte er gewusst, dass dies sein Lauf war,der Abschluss seiner Wanderjahre durch den Westen,

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