Finish - Roman
ihre Augen funkelten.
Sie sah ihm unverwandt in die Augen, und ein unterdrücktes Lachen ließ ihre Lippen zittern. Hastig wischte sich Moriarty die Creme vom Gesicht.
»So ist es schon besser«, sagte sie.
Einen Moment lang stand Moriarty wie vom Donner gerührt da. Mit gespielt ernster Miene zog Eleanor die Nase kraus.
»Und, wann gehen wir endlich, Moriarty?«
»Gehen?«, barst es aus ihm heraus. »Wohin?«
»Nach Westen natürlich. Nach Amerika.«
Moriarty würde es dem Earl of Grafton nie vergessen, dass er nicht der Allerhellste war. Denn als seine Tochter Eleanor ihm nach der Abreise der Schauspieler aus Cumberland ihre erste Lüge aufgetischt und behauptet hatte, Moriarty habe ihr einen Antrag gemacht, war Grafton – andersals seine Frau – begeistert gewesen. Wie auch die übrige Familie hatten ihn Moriartys Schilderungen des Wilden Westens fasziniert, und so war es für ihn nur naheliegend, dass ein so wohlgeratenes Mädchen wie Eleanor den Wunsch hatte, einem Pfundskerl wie Moriarty in die Neue Welt zu folgen.
Jetzt musste Eleanor nur noch Moriarty für ihre kleine Lüge gewinnen. Graftons Tochter wusste schließlich nur zu gut, was sie erwartete, würde sie den Rest ihres Lebens in England verbringen. In nicht einmal einem Jahr würde sie einen farblosen, adeligen Niemand heiraten, im Laufe von fünf Jahren kämen ein paar Kinder dazu, und abgeschoben auf irgendeinen riesigen Landsitz, würde sie ihr Dasein mit Wald-und-Wiesen-Sport und Wohltätigkeitsarbeit fristen. Schon beim ersten Blick hatte sie gewusst, dass Moriarty der Mann ihres Lebens war. Der Widerspenstigen Zähmung hatte ihre Verbindung lediglich besiegelt, obgleich Moriarty behauptete, er sei noch nicht ganz »im Spiel«. Sie war realistisch genug zu wissen, dass ihr gemeinsames Leben nichts mit den tollkühnen Westernmärchen zu tun haben würde, mit denen Moriarty Grafton und dessen Gäste unterhalten hatte, doch das war gleichgültig. Moriarty war ihr Mann, und wenn ein Pionier aus ihm werden würde, dann wäre sie Pionierin.
Die Booths verschoben ihre Rückkehr nach Amerika, um bei der Hochzeit dabei zu sein. Die Entscheidung erwies sich als glücklich, denn am 16. September brachte Mary Booth ihren Sohn Edwin zur Welt. Und so wohnten drei Booths der Vermählung von Douglas Cameron und Eleanor Sinclair bei, die am 25. September in der kleinen Kapelle des Grafton-Anwesens stattfand, und zur Feier des Tages führte Edwin einige Auszüge aus Shakespeare auf, darunter auch – zu Eleanors großer Freude – den schicksalhaften Schwertkampf aus Hamlet .
Glücklicherweise brauchte es keine große Überredungskunst, den in die Hochzeitsvorbereitungen äußerst eingespanntenLord Grafton davon abzuhalten, als Quasimodo aus Der Glöckner von Notre Dame aufzutreten.
Am folgenden Tag machte sich das Paar mit den Booths auf den Weg nach Süden, um ein letztes Mal Deerfoot zu sehen, der, nachdem Martins unrühmlicher »Zirkus« seinen Ruf gänzlich ruiniert hatte, drauf und dran war, den Weltrekord von einer Stunde zu brechen.
Am 10. Oktober 1862 stand Louis Bennett vor 10 000 Zuschauern auf der engen 260-Meter-Laufbahn des Londoner Brompton-Stadions am Start. Ringsherum auf der Strecke hatte die gesamte britische Läuferelite Aufstellung genommen. Der Indianer hatte beschlossen, seine Tournee ruhmvoll zu beenden. Er hatte jedem der englischen Teilnehmer einen Vorsprung gegeben, von 100 Metern für Englands Topläufer »Crowcatcher« Lang bis zu einer Viertelmeile für den Veteran Jackson.
Nach einem Monat harten Trainings zeigte Deerfoot sich wieder rank und schlank und putzte seine Gegner die ganze folgende Stunde über mit links weg. Jeden, der an ihm dranzubleiben versuchte, konterte er mit vernichtenden Sprints, gegen die niemand ankam. Nachdem er bereits die Weltrekorde für neun, zehn und elf Meilen gebrochen und alle übrigen Gegner aus dem Feld geschlagen hatte, hatte er nur noch Lang vor sich, der auf der letzten Runde 20 Meter vor ihm lag.
Siegeshungrig setzte der Indianer seinem Konkurrenten nach, und das englische Publikum sprang jubelnd auf. 20 Meter vor dem Ziel waren beide Läufer so gut wie gleichauf, doch Deerfoot war zu erschöpft, um noch weiteren Druck zu machen. Gemeinsam stolperten die beiden Männer über die Ziellinie und wurden von der Menge umdrängt.
Für die Booths und Moriarty war es ein totes Rennen, doch Wettfavorit war nun einmal Lang, und so wurde der Engländer zum Sieger erklärt. Deerfoot musste
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