Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Herrn von Anbach hinüber, „und durchsuchten es von oben bis unten. Und wir fanden auch tatsächlich eine Kiste, in der die Decke lag, in welcher Finn in jener Nacht gelegen hatte. Der Kristall aber war nicht dabei. Da endlich begriff ich, wie falsch es gewesen war, das Kind in die Vergangenheit zu schicken. Hätte ich den Jungen in die Zukunft geschickt, hätte einfach nur ein vertrauenswürdiger Mensch auf den Stufen der Sophienkirche warten müssen, das Kind, sobald es auftauchte, in Empfang nehmen und mit dem Kristall wieder zurück in der Zeit reisen können.
So aber gelang es uns all die Jahre nicht, auch nur eine Spur des Kristalls zu finden.“
„Wenn ich kurz unterbrechen dürfte“, mischte sich Herr von Anbach jetzt ein, „sie sprachen die ganze Zeit von einem Kind. Hier sind jetzt aber drei. Es können doch nicht alle drei ihr einziger Sohn sein!“
„Wie es aussieht, können sie es doch“, sagte Martin und sah die Jungen an. „Wir hatten immer angenommen, dass der Kristall, als er am Ankunftsort keine heilige Stätte fand, einfach die nächstgelegene Kirche ‚suchte’. Ich weiß nicht, wie man das anders beschreiben soll. Wie es aussieht, hat der Stein aber gleich die drei nächstliegenden Kirchen gesucht – und dabei irgendwie die Kinder verdreifacht.“
Finn nickte. „Der Kristall ist dabei in drei Teile zerborsten“, erklärte er. „Dadurch sind wir auch drauf gekommen, dass es vielleicht drei Kinder gibt. So haben wir Jacob gefunden.“
„Das ist ja merkwürdig“, sagte Martin, hellhörig geworden. „Und wie habt ihr den zerbrochenen Kristall wieder heil bekommen?“
„Wir haben ihn einfach zusammen gehalten und das Gedicht aufgesagt“, gab Finn zu. „Es war Zufall. Als wir im Jahr 2005 ankamen, war der Kristall jedenfalls wieder heil.“
„Ihr wart im Jahr 2005?“, ließ sich nun zum ersten Mal Frau von Anbach vernehmen.
„Ja, Mutter“, sagte Jacob. „Tolle Schuhe haben die da, guck mal.“ Er streckte seine Turnschuhe nach oben. Seine Mutter besah sie sich genauer.
„Tatsächlich“, sagte sie. „Die sehen wirklich aus, als kämen sie aus der Zukunft.“
„Was mich jetzt aber doch sehr interessieren würde“, sagte Inga leise, „ist, wie ihr eure drei Kristallteile gefunden habt.“
„Und ich möchte auch mehr darüber wissen, wie euer Leben war, bevor ihr einander gefunden habt!“, bestimmte Martin.
Während es draußen dunkel wurde und die Sterne langsam hervortraten, wurde in dem gemütlichen Salon der Familie von Anbach all das erzählt, was die Erwachsenen wissen wollten. Tom berichtete von seinem Leben auf der Straße und von seinen Freunden, von der immer fröhlichen Lucy, vom dicken Justus, dem kleinen Mark und dem klugen Rudolf, der so gerne in die Schule gehen wollte. Während er erzählte, zog ihn Frau von Anbach zu sich aufs Sofa und winkte auch Inga dazu, so dass Tom nun zwischen den beiden Frauen saß. Frau von Anbach war entsetzt, als sie erfuhr, wie schwer es die Kinder gehabt hatten, und auch Inga weinte ein paar Tränen, weil ihr Kind ein solches Leben hatte führen müssen. Finn dagegen hatte Positiveres zu berichten, von Fräulein Winter, von Rosie und seinem Leben im Kinderheim, das zwar nicht reich, aber doch immer voller Liebe gewesen war. Er saß neben Martin auf einem der gemütlichen Sofas und fühlte sich sicher und geborgen. Dann aber begann er von den Schmidts zu erzählen, und er merkte, wie die Erwachsenen sich unruhig ansahen.
„Sie wussten also von dem Kristall?“, forschte Martin noch einmal nach.
„Ja, das wussten sie“, sagte Finn bestimmt. „sie wollten mich ja nur adoptieren, um an den Kristall zu kommen. Wenn sie ihn hätten, sagten sie, wollten sie mich einfach wieder zurück geben.“
„Außerdem haben wir sie bei der Burgruine belauscht“, warf Tom ein, der sich an Ingas Arm gelehnt hatte. „Sie wussten genau, dass man mit dem Kristall reisen kann. Allerdings hatten wir bis dahin noch nicht herausgefunden, dass es eine Reise durch die Zeit ist.“
„Die Schmidts sind also immer noch hier“, grübelte Herr von Anbach.
„Vielleicht sind sie auch wieder zurück in den Norden gereist, wo sie wohnen“, sagte Finn. Allmählich wurde er müde, aber er hielt tapfer die Augen offen.
„Das könnte natürlich auch sein“, gab Martin zu. „Aber wir sollten versuchen, das herauszufinden.“
„Ich glaube, die Kinder sollten allmählich ins Bett gehen“, schlug Frau von Anbach schließlich vor, und
Weitere Kostenlose Bücher