Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
kenne auch nicht alle Worte“, antwortete Rudolf. „Ich weiß nicht, was ‚Lapis Philosophorum‘ bedeutet, und auch nicht ‚Materia Prima‘. Aber…“ – er machte eine Pause und runzelte die Stirn – „ein Adept ist ein Schüler, und da dieser Linhard Wendel Christopherus ein Alchemist war, muss er dem Grafen wohl Alchemie beigebracht haben.“
„Und was bedeutet ‚Alchemie‘?“, fragte Lucy gespannt.
Rudolf guckte seine Freunde verunsichert an. So viel Aufmerksamkeit war ihm eher peinlich. Schließlich sammelte er sich.
„Die Alchemie ist eine Wissenschaft, die man früher, so vor ein paar hundert Jahren, lehrte. Das größte Ziel der Alchemisten war die Herstellung des ‚Steins der Weisen‘“
Rudolf verstummte, blickte mit gerunzelter Stirn auf das Papier und schien nachzudenken. Keines der Kinder wagte ein Wort zu sagen. Schließlich hob Rudolf den Kopf und sah seine Freunde aufgeregt an.
„Natürlich!“, rief er. „Dieser ‚Lapis Philosopherum‘ muss der Stein der Weisen sein! Man glaubte damals, dass die Welt aus ganz wenigen Grundelementen bestehen - der…“, er las kurz nach, „…Materia Prima. Man glaubte, wenn diese Elemente perfekt miteinander verbunden wären, könne den Stein der Weisen herstellen!“
„Und was genau tut der Stein der Weisen?“, fragte Finn interessiert.
„Nichts!“, antwortete Rudolf ernüchtert. „Man hat es ja nie geschafft, den Stein zu erschaffen. Und so wie es hier steht“ – er wedelte mit den Papierbogen – „kann das auch nicht funktionieren. Weil es diese ‚Materia Prima‘ eben nicht gibt.“
„Aber wenn es geklappt hätte“, fragte Tom ungeduldig, „was hätte der Stein dann getan?“
„Na, er hätte jedes Metall, altes Blech zum Beispiel, in Gold und Silber verwandeln können!“
„Hui!“, rutschte es dem kleinen Mark heraus. „Stellt euch vor, wir hätten so einen Stein! Dann könnten wir uns alles kaufen, was wir wollen. Bonbons, Spielzeug…“
„Ganz viele Würstchen und Pfannkuchen!“, setzte der dicke Justus nach.
„Wir müssten nie mehr frieren“, rief Tom begeistert.
„Ich hätte gerne ein rotes Kleid“, sagte Lucy verträumt. Finn sah sie an. Das war also ihr Traum? Ein rotes Kleid? Er dachte an die zwei Geldstücke in seiner Tasche. Für ein rotes Kleid würden sie wohl nicht reichen? Er hatte nicht aufgepasst, als seine Eltern… nein, die Schmidts, verbesserte er sich, die Kleidung für ihn bezahlt hatten. Ob sie wohl viel Geld für ihn ausgegeben hatten? Warum wohl, wenn sie ihn doch gleich wieder loswerden wollten?
„Bücher! Ganz viele Bücher!“, hörte Finn Rudolf sagen. „Aber wir werden den Stein der Weisen nicht bekommen. Wie es hier steht: er wurde nie hergestellt! Übrigens soll der Stein noch andere wunderbare Eigenschaften gehabt haben. So sollte er zum Beispiel Krankheiten heilen können!“
„Und wenn ihn jetzt doch jemand hergestellt hätte?“, rief Mark aufgeregt. „Wenn es das ist, was diese Schmidts suchen?“
„Also, ich hab bestimmt keinen Stein in meiner Tasche!“, sagte Finn bestimmt.
„Aber vielleicht hattest du als Baby einen dabei?“ So schnell wollte Mark sich nicht geschlagen geben. „Vielleicht bist du mit diesem Stein ausgesetzt worden, und die Schmidts wissen das und denken, dass du ihn noch irgendwo bei dir hast?“
„Also, ich glaube, das wäre mir schon mal aufgefallen, wenn ich einen Stein bei mir hätte. Außerdem war ich schon krank. Mit fünf Jahren hatte ich Scharlach, und dabei wäre ich fast gestorben!“
„Aber nur fast. Vielleicht hat dich der Stein gerettet?“
„Das glaube ich wirklich nicht!“ Finn sah den kleineren Jungen nachsichtig an. Dann blickte er zu seinem Bruder, der nachdenklich vor sich hinstarrte.
„Du hattest auch keinen Stein dabei, als sie dich fanden, oder?“
Tom blickte auf. „Selbst wenn ich einen gehabt hätte“, sagte er, „man hätte ihn mir sicher weg genommen. Egal wie er aussah – wenn er wertvoll war, dann haben sie ihn verkauft, und wenn er billig aussah, garantiert weg geworfen. Ich hatte nur eine alte Decke dabei, soweit ich weiß.“
„Und den Zettel mit Deinem Namen“, sagte Finn.
„Den Zettel mit Deinem Namen!“, verbesserte Tom grinsend. „ Ich bin Tom.“
„Oh, stimmt!“ Finn musste lachen.
Rudolf hatte sich inzwischen wieder in das Papier vertieft.
„Ich denke“, sagte er, immer noch lesend, „ihr solltet vielleicht wirklich zuerst einmal zu den Kirchen gehen, wo man euch
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