Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
wässrigen blauen Augen vorwurfsvoll auf seine Tochter.
„Es war kalt!“, sagte er würdevoll. „Richtig kalt. Ohne ein kleines Schlückchen wäre ich erfroren.“
„Aber der Stein“, unterbrach Finn schnell, bevor die beiden anfangen konnten, sich zu streiten, „wie sah der aus?“
„Er sah aus wie ein Edelstein, aber ziemlich kaputt. Blau, glaube ich. Oder lila? Ich weiß es nicht mehr.“
„Hat der Polizist ihn verkauft?“, wollte Tom wissen. Diese Frage schien den alten Wilhelm zu erheitern.
„Versucht hat er es wohl“, gluckste er, „aber es ist ihm nicht gelungen. Er sei nichts wert, der Stein, haben sie ihm gesagt. Erst dachte er, er hätte mich übers Ohr gehauen, weil ich nur die Decke bekommen habe und er den Stein, aber dann war er wütend, weil ich für die Decke einen ordentlichen Batzen Geld bekommen habe, und er nichts für den Stein. Tja, Jungchen, so war das.“
Er rieb sich die Augen.
„War nett, dich wieder zu sehen, aber ich glaube, wenn die Herren nichts dagegen haben, würde ich jetzt gerne weiter schlafen.“
Er zwinkerte ihnen noch einmal zu, legte sich dann ohne Umschweife hin und begann Sekunden später zu schnarchen.
„So was aber auch“, entfuhr es seiner Tochter. Finns Gedanken überschlugen sich.
„Anna, würdest du mitkommen zur Wache?“, fragte er dann höflich. „Ich denke mir, einem Erwachsenen würde der Polizist eher Auskunft geben als einem Kind!“
Und außerdem wäre Anna auf diese Weise noch ein wenig abgelenkt und konnte niemandem von ihnen berichten.
Annas Augen glänzten. So eine Gelegenheit würde sie sich sicher nicht entgehen lassen.
„Natürlich komme ich mit euch!“, willigte sie ein.
Tom und Finn lächelten.
„Na dann los“, sagte Tom.
Auf dem kurzen Weg zur Wache unterhielten sie sich über Hohenstadt. Finn wusste, dass Wilhelm dort eine Zeitlang gelebt hatte.
„Er wohnte bei meinem Mann und mir“, bestätigte Anna. „Wir hatten ein kleines Haus ganz am Stadtrand gemietet. Es war nichts Besonderes, aber es gefiel uns gut. Mein Mann und ich sind auch in Hohenstadt getraut worden, in einem kleinen Kirchlein gleich um die Ecke von unserem Haus. St. Pankraz hieß es.“
Finn hörte, dass Tom neben ihm die Luft scharf einzog. Er sah ihn erstaunt an, aber Tom sagte nichts.
„Mein Mann war Seemann gewesen, und als wir zwei Jahre verheiratet waren, blieb er auf See. Ertrunken“, setzte sie mit einem Seitenblick auf die Jungen hinzu. „Wir hatten uns nicht abgesichert; wir dachten, mit seiner Heuer und meinem Gehalt als Verkäuferin würde es ewig so weiter gehen, aber dann wurde mir gekündigt und ich bekam plötzlich nur noch eine winzige Witwenrente, und die reichte nicht für meinen Vater und für mich, und für das Haus schon gar nicht. So bin ich dann wieder nach Burgfeld zurückgegangen. Na ja“, seufzte sie, „das ist lange her.“
Während Annas Erzählung hatte Finn kaum auf den Weg geachtet. Jetzt aber sah er plötzlich nach vorne und stoppte so ruckartig, dass seine Gefährten ebenfalls stehen blieben.
„Was…“, entfuhr es Anna, aber Tom hatte es ebenfalls schon gesehen.
„Schnell!“, zischte Finn und zog Anna an der Hand in die schmale Lücke zwischen zwei Häusern. „Das Auto – die dürfen uns nicht erwischen!“
Anna streckte vorsichtig ihren Kopf zwischen den Häusern hervor.
„Was für ein schönes Auto!“, entfuhr es ihr. „Wem gehört es? Und wieso dürfen die euch nicht erwischen?“
Sie betrachtete die Kinder misstrauisch. „Habt ihr etwas angestellt?“
„Wir nicht“, stieß Finn hervor, „aber die! Wir glauben, dass sie hinter dem Stein her sind, den ich bei mir hatte, als man mich fand. Sie haben sogar so getan, als wollten sie mich adoptieren, dabei hatten sie immer vor, mich zurück zu geben, wenn sie den Stein hatten!“
Anna wurde blass.
„Ich habe gehört, dass dich ein sehr nettes, reiches Paar adoptiert hat. Solche Geschichten sprechen sich ja immer schnell herum. Und ich habe mich so für dich gefreut!“, sagte sie leise. „Und du bist sicher, dass sie nur den Stein wollten?“
Finn nickte beklommen. Er hörte Tom neben sich leise fluchen.
„Wenn der Polizist den Stein wirklich hat, dann gibt er ihn denen bestimmt mit. Sie müssen ihm ja nur genug Geld dafür bieten“, schimpfte er.
„Aber sie waren schon einmal bei ihm, und da hat er offensichtlich behauptet, er hätte nichts bei mir gefunden“, widersprach Finn.
„Aber siehst du denn nicht?“, entgegnete Tom
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