Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
der hier eben mit dem Auto abgeholt worden ist?“
Der blonde Junge warf einen Blick auf Toms Gesicht, und er machte große Augen. Dann warf er einen Blick auf Finn, und sein freundliches Gesicht sah noch verwirrter aus.
„A… aber…“, stotterte er.
„Ja, ich weiß, wir sehen ihm sehr ähnlich“, lächelte Tom höflich. „Darum wollen wir ja auch gerne mehr über ihn wissen. Aber bevor wir ihn ansprechen konnten, war das Auto auch schon weg.“
Der blonde Junge holte tief Luft. „Jacob wohnt die Straße hinunter, vielleicht zehn Minuten zu Fuß. Es ist ein großes, rotes Haus mit einer Steinmauer drum herum und einer breiten Auffahrt. Ihr könnt es nicht verfehlen“, erklärte er dann.
„Danke“ Tom nickte freundlich. „Du hast uns sehr geholfen.“
Er zog Finn hinter sich her, die Straße entlang. Finn warf noch einen Blick über seine Schulter zurück. Der blonde Junge stand mitten auf der Straße und sah ihnen kopfschüttelnd nach.
Wie der blonde Junge gesagt hatte, war das Haus der von Anbachs nicht zu verfehlen. Selbst zwischen diesen vornehmen Häusern ringsumher schien das rote Haus etwas Besonderes zu sein. Das große Grundstück war von einer hohen Mauer umrandet, die von einem schmiedeeisernen Tor unterbrochen war. Staunend standen die Jungen vor dem großen Tor und sahen durch die Gitterstäbe die lange Auffahrt hinunter. Das beige Auto, welches Jacob abgeholt hatte, stand verlassen in der Einfahrt. Auch sonst war kein Mensch zu sehen. Irgendwo dort drinnen musste jetzt wohl der Junge sitzen, der ihnen so ähnlich sah, und sein Mittag essen. Ob er wohl an sie dachte? Betrachtete er wohl zum ersten Mal seine Eltern misstrauisch und fragte sich, ob er wirklich ihr leibliches Kind war? Oder versuchte er, den unangenehmen Zwischenfall in der Schule zu vergessen?
Finn seufzte.
„Wir müssen da hinein, würde ich sagen“, murmelte er. Tom sah eingeschüchtert die lange Auffahrt entlang.
„Wenn die uns erwischen, machen sie uns einen Kopf kürzer!“, antwortete er zweifelnd.
„Zumindest sehen wir dann ihrem Jacob-Schätzchen nicht mehr so ähnlich“, stellte Finn fest, um seinen Bruder aufzumuntern. Tom aber sah ihn nur kläglich an.
„Ich habe Angst“, sagte er dann leise. „Vielleicht sollten wir Jacob wirklich in Ruhe lassen. Er hat ein tolles Leben, so eins, wie wir es uns wünschen würden. Und wir beide, wir wollen es ihm kaputt machen.“
„Ich will nichts kaputt machen“, widersprach Finn energisch. „Meinetwegen kann er uns vergessen, sobald wir weg sind. Er soll uns nur sein Stück vom Stein geben, dann verschwinden wir wieder.“
„Wenn er das Stück hat“, murmelte Tom.
„Glaubst du das denn nicht?“, fragte Finn erstaunt.
„Ich glaube, dass er es bei sich hatte, als man ihn fand“, erwiderte Tom. „Aber seine Eltern haben ihm nie gesagt, dass sie ihn adoptiert haben, deshalb haben sie vielleicht ja gar nichts behalten, was daran erinnern könnte. Und wertvoll war dieses Stück Stein ja nun auch nicht. Möglicherweise haben sie es einfach weg geworfen.“
Eine Weile schwiegen die Jungen nachdenklich. Sie hatten so große Hoffnung auf den Stein gesetzt, und jetzt hatten sie plötzlich das Gefühl, sie könnten am Ende ihrer Suche angelangt sein. Vielleicht würden sie nie herausfinden, wer die unbekannten Eltern waren, würden nie erfahren, was es mit diesem Stein auf sich hatte.
„Ihr gebt wohl gar nicht auf“, sagte plötzlich eine Stimme über ihnen. Erschrocken richteten die Jungen ihren Blick nach oben. Jacob blickte mit verdrossenem Gesichtsausdruck über die Mauer auf sie hinab.
„Wenn ihr hier rein wollt, müsst ihr die Mauer links entlang gehen“, sagte Jacob und zog die Augenbrauen unwirsch zusammen, als bereite ihm das, was er zu sagen hatte, Unbehagen. „Irgendwann kommt da eine kleine Pforte. Da könnt ihr durch! Wenn ich das Tor öffne, kann man das vom Haus aus sehen, also lasse ich das lieber.“
Mit diesen Worten verschwand sein Kopf von der Mauer. Finn und Tom sahen sich verwirrt an.
„Meint er das ernst?“, sprach Finn aus, was beide dachten.
„Wir müssen es wohl ausprobieren, um es herauszufinden, oder?“, antwortete Tom.
Vorsichtig um sich blickend, gingen die Jungen an der Mauer entlang und um die Ecke. Hier war die Mauer mit dichten Efeuranken bewachsen, die sich über einen schmalen Fußweg zwischen zwei Gärten wanden. Am Ende der Mauer fanden sie die kleine Tür, von der Jacob gesprochen hatte. Sie war aus
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