Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Badewanne, welche an der Längsseite des Raumes auf vier goldenen Krallenfüßen stand. Kaum weniger auffallend war der große, schwarze, schön verzierte Badeofen, von dem aus eine Leitung direkt zur Badewanne führte.
Finn trat vorsichtig näher und besah sich den großen Ofen genauer. Auf der Vorderseite war ein großes Blechschild mit einer Gebrauchsanweisung angebracht, über welcher das Bild eines kleinen Hasen abgebildet war, der gerade aus einem Ei schlüpfte. Der Gedanke, dass es dieses Gerät schaffte, ausreichend warmes Wasser für diese große Wanne zu erzeugen, faszinierte den Jungen. Im Heim hatten die Kinder in einem großen Holzbottich im Waschhaus gebadet, dort, wo sonst die Wäsche gewaschen wurde. Die alte Kaja hatte das Wasser auf dem Herd erhitzen müssen, und dann durften die ältesten Kinder jeweils zuerst baden – bis die Jüngsten dran waren, war das Wasser schon kalt und auch nicht mehr besonders sauber. Niemand hatte den Badetag besonders geliebt, und allzu häufig kam es auch nicht vor, vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr. Sonst nahm man mit dem Waschbecken vorlieb und wusch sich dort – was allerdings nicht bedeutete, dass man damit durchkam, sich den Hals nicht zu waschen, wie Finn sehr genau wusste. Dieser Badeofen war nun allerdings etwas ganz Besonderes. Finn konnte sich vorstellen, dass ein Bad in einer so großen Wanne, mit ausreichend warmem Wasser, vielleicht doch Spaß machen konnte.
Tom betrachtete währenddessen die Toilette näher. Anders als sein Bruder Finn kannte er keine Toilette mit Wasserspülung. In Lucys Familie und in der Schule, auf die er nur eine kurze Zeit gegangen war, hatte es, genau wie in dem alten Haus der Kinder, ein Plumpsklo gegeben; ein kleines Holzhäuschen im Garten – oder, wie bei Lucys Familie, im Hof – auf das man bei Bedarf ging. Musste man nachts, so benutzte man einen Nachttopf und leerte den am nächsten Morgen aus. Eine Toilette in einem warmen Zimmer, bei der alles gleich mit Wasser fortgespült wurde, war so viel bequemer und hygienischer, dass es Tom wie der Inbegriff von Luxus erschien.
Plötzlich klappte die Tür des Bades. Jacob kam herein, mit einem unordentlichen Bündel Kleider in der Hand.
„Ihr solltet euch doch waschen!“, sagte er streng und stellte den Wasserhahn an. „Los jetzt!“
Gehorsam hielten die Jungen Hände und Köpfe unter den Wasserhahn und schrubbten sich gründlich. Dann nahmen sie die Handtücher, welche Jacob ihnen reichte, und trockneten sich ab. Finn hätte das Handtuch am liebsten nicht mehr losgelassen, so weich fühlte es sich an, und er sah mit einem Blick zu Tom, dass es ihm wohl genauso ging.
„So, jetzt zieht euch um!“, befahl Jacob, dem es offensichtlich Spaß machte, die beiden ein wenig herum zu scheuchen. Gehorsam zogen Finn und Tom ihre Jacken und Hemden aus, wobei sie ein wenig beschämt zu Boden sahen. Plötzlich pfiff Jacob durch die Zähne. „Ich fass es nicht“, stieß er hervor. Finn sah erstaunt erst zu Jacob, dessen Augen zwischen den beiden Jungen hin und her wanderten, dann zu Tom. Und auch ihm stockte der Atem.
Auf der rechten Schulter besaß Finn ein Muttermal. Das hatte ihn nie gestört, und Rosie hatte es immer niedlich gefunden und behauptet, dass es aussähe, wie ein Halbmond, und dass ein Halbmond als Muttermal etwas ganz Besonderes sei. Und nun stellte er fest, dass der Halbmond so besonders gar nicht war – Tom hatte exakt das gleiche Zeichen auf der rechten Schulter. Während Tom und Finn sich noch verblüfft anstarrten, hörten sie ein Geräusch neben sich. Sie sahen zu Jacob und stellten fest, dass dieser begonnen hatte, ebenfalls das Hemd auszuziehen. Und dann sahen sie, dass auch er dieses Muttermal besaß, halbmondförmig und auf der rechten Schulter.
Eine Weile sagte keiner der Jungen etwas. Dann murmelte Jacob leise: „Es ist fast, als wäret ihr nicht nur meine Brüder, sondern als wären wir ganz und gar derselbe Junge!“
Schließlich zogen sich die Jungen Hemden und Hosen von Jacob an und zogen dann ihre alten Jacken über. Jacob schüttelte den Kopf. „Das geht ja wohl gar nicht“, sagte er. „Kommt mit!“
Die Jungen folgten ihm mit ihrer dreckigen Wäsche in der Hand auf sein Zimmer. Ein Zimmer wie dieses hatte sich bisher keiner der Jungen auch nur vorstellen können. Es war riesig, mit einem großen, gemütlich aussehenden Bett, langen Gardinen vor den Fenstern und vor allem – es war voller Spielzeug! Blechautos standen neben
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