Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
beiden Jungen lang. Brot und Wurst waren längst aufgegessen und Hunger und Kälte fing an, sie zu quälen. Leider gab es auch kein Stroh oder Heu in der Scheune, in das sie sich hätten legen können, lediglich eine uralte, enorm verstaubte offene Kutsche stand herum. Eine Weile spielten die Jungen, sie seien vornehme Herrschaften, wobei immer abwechselnd einer von ihnen den Kutscher mimte, während der andere hoheitsvoll Befehle gab, wie „Fahre er mich zum Schlachter!“ – aber nach einer Weile wurde ihnen auch das langweilig. Schließlich setzten sie sich, eng aneinander gekuschelt, auf die verschlissenen Stoffsitze der Kutsche und warteten bedrückt auf Jacob.
„Meinst du, Jacob findet etwas heraus?“, fragte Finn schließlich leise.
Tom schwieg einen Moment.
„Ach, weißt du“, antwortete er dann, „vielleicht sollten wir einfach froh sein, dass wir Jacob überhaupt gefunden haben und dass er wohl doch nicht so schrecklich ist, wie wir dachten. Vor ein paar Tagen war jeder von uns noch ganz alleine auf der Welt, und jetzt sind wir immerhin drei Brüder. Das ist doch schon eine ganze Menge Familie, oder?“
„Aber wir haben schon zwei der Steine!“, gab Finn zurück. Wenn wir den dritten auch noch hätten, könnten wir vielleicht doch ein wenig mehr über uns heraus finden. Wir sind so nah dran!“
„Ich hoffe es ja auch“, sagte Tom. „Aber wenn es nicht klappt, dann werde ich auch nicht allzu traurig sein.“
Beide schwiegen wieder.
Langsam fing es an zu dämmern. Die Staubflocken, die eben noch in den durch die winzigen Fenster eindringenden Lichtstrahlen getanzt hatten, waren nicht mehr zu sehen. Stattdessen wurden die Schatten der Kutsche und der alten Balken immer länger und dunkler. Finn mochte nicht zugeben, dass ihm unheimlich zumute war, aber er drückte sich noch ein wenig enger an seinen Bruder.
Sie mussten schließlich doch beide eingeschlafen sein, denn plötzlich stand Jacob in der Dunkelheit vor ihnen und lachte sie an.
„Faule Bande“, beschwerte er sich im Spaß, „unsereins sitzt viele Stunden lang in der Schule und rackert sich ab, während die feinen Herrschaften schlafen!“
Er hob die kleine Petroleumlaterne, die er in der Hand hielt, und leuchtete Tom und Finn ins Gesicht!“
„Wie seht ihr denn aus?“, fragte er entgeistert.
„Wie sehen wir denn aus?“, fragte Tom verschlafen zurück.
„Jedenfalls nicht mehr wie ich“, kicherte Jacob. „Ich bin nämlich sauber!“
Finn warf einen verdutzten Blick zu Tom hinüber. Jacob hatte Recht; beim Spielen in der staubigen Kutsche waren sie beide selber ziemlich staubig geworden.
„Kommt erst einmal mit“, befahl Jacob. „Meine Eltern sind weg. Nur die Köchin ist da. Sie soll eigentlich auf mich aufpassen, aber wenn niemand da ist, trinkt sie ganz gerne mal ein Schlückchen. Und dann schläft sie auch ziemlich schnell ein. Als ich ging, war sie schon in ihrem Zimmer, ich glaube, die hört uns nicht mehr.“
Schnell liefen die Jungen zum Haus und schlüpften durch eine kleine Hintertür hinein.
„Die große Haustür macht zu viel Krach beim Öffnen“, flüsterte Jacob, „aber diese Tür hier ist für die Dienstboten. Die Köchin schläft da drüben!“
Er zeigte auf eine Tür. Leise huschten die drei Jungen an dem Zimmer der Köchin vorbei und durch einen schmalen Flur in eine große Eingangshalle.
Tom und Finn hatten noch nie ein Haus wie dieses gesehen. Von der Halle aus gingen mehrere Türen ab; die große, zweiflügelige Haustür, dann eine weitere, riesige, hölzerne, zweiflügelige Tür sowie diverse kleinere Türen. Am erstaunlichsten war aber die gewaltige Treppe, die nach oben führte. Sie war so breit, dass sicher zehn Leute nebeneinander stehen könnten, und ging oben rechts und links in schön verzierte und geschwungene hölzerne Balustraden über.
„Kommt, weiter“, trieb Jacob die Jungen leise an, die verblüfft stehen geblieben waren und die Halle mit großen Augen betrachteten.
Jacob lief leise die Treppe hoch, und Tom und Finn beeilten sich, ihm zu folgen. Im Obergeschoss öffnete Finn eine Tür.
„Wascht euch erst mal“, befahl er. „Ich hole euch saubere Sachen zum Anziehen.“ Er kicherte. „Wenigstens kann ich sicher sein, dass euch meine Sachen passen!“ Mit diesen Worten verschwand er.
Wie eben schon in der prächtigen Eingangshalle, standen die beiden Jungen zuerst einmal wie erstarrt da und betrachteten den Raum. Das Prunkstück des Badezimmers war eine riesige
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