Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Kinderbüchern auf einem Regal, ein großer Spielzeugbär saß auf der Tagesdecke des Bettes, eine Armee von Zinnsoldaten wartete in einer Zimmerecke auf ihren Einsatz, ein hölzerner Kreisel mit dazugehöriger Peitsche lag neben einem Holzkasten, in dem sich eine Spielesammlung befand, und mitten im Zimmer stand ein Tisch, auf dem sich ein Karussell aus Blech befand, mit winzigen Pferdchen, die kleine Kutschen zogen.
Wenn Finn und Tom bisher schon gestaunt hatten, so waren sie jetzt beinahe sprachlos. Jacob jedoch beachtete all diese Herrlichkeiten nicht. Er hatte begonnen, in einem großen Kleiderschrank zu wühlen, der in einer Ecke seines Zimmers stand, und holte jetzt zwei neue, blaue Jacken hervor.
„Hier“, sagte er und reichte jedem der Jungen eine Jacke. „Dann sehr ihr wirklich aus wie ich!“
„Aber werden deine Eltern nicht merken, dass dir zwei Jacken fehlen?“, wollte Tom wissen, während er Jacobs Jacke anzog und sorgfältig seine Schätze aus der alten Jacke in die neue packte. Jacob sah sie ein wenig unbehaglich an.
„Darüber denke ich nach, wenn es soweit ist“, entschied er dann. „Ich nehme an, ihr habt noch nichts gegessen!“, fügte er hinzu. „Ich schleiche mich schnell in die Küche, und dann hole ich euch etwas!“ Und schon war er wieder verschwunden.
Jetzt erst merkten die beiden Jungen, dass ihre Mägen tatsächlich gewaltig knurrten.
„Wie mag es wohl sein, in einem solchen Zimmer aufzuwachsen?“, fragte Finn leise und fühlte beschämt, dass er neidisch war. Warum hatte nicht er von einem reichen, kinderlosen Paar gefunden werden können? Er blickte verstohlen zu Tom hinüber. Ob der wohl ähnliche Gedanken hatte?
Tom seufzte. „Wenigstens einer von uns“, murmelte er und bewies, dass er wohl tatsächlich das Gleiche gedacht hatte. Sofort fühlte sich Finn ein wenig besser. Nachdenklich trat er zu dem Fenster mit den bodenlangen Samtgardinen und blickte hinaus. Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Der Mond war gerade nicht zu sehen, und das Licht der Sterne reichte kaum aus, um das große Tor und die Auffahrt zu beleuchten.
Die Tür öffnete sich. Finn drehte sich um, aber es war nicht Jacob, der das Zimmer betrat. Eine fremde Frau stand in der Tür. Erschrocken und ohne nachzudenken trat Finn einen Schritt zur Seite und hinter die schweren Samtvorhänge.
„Da bis du ja“, sagte die Frau und sah Tom an. „Merkwürdig, ich hätte schwören können, ich habe dich eben noch in der Küche gehört.“
„Vielleicht waren das Ratten?“, hörte Finn seinen Bruder Tom höflich fragen.
„Ratten!“, schnaubte die Frau, „also wirklich! Jedenfalls solltest du langsam mal ins Bett gehen, sonst schimpft die Herrschaft wieder, dass ich nicht ordentlich auf dich aufgepasst hätte!“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand.
Einen Moment lang hielten die Jungen die Luft an, dann hörte Finn seinen Bruder haltlos kichern. Vorsichtig trat er hinter dem Vorhang hervor.
„Na, das war dann wohl die Köchin“, sagte er, und musste auch kichern.
Ungefähr fünf Minuten vergingen, bis die Türklinge vorsichtig wieder herunter gedrückt wurde. Und dieses Mal war es Jacob, der seinen Kopf ins Zimmer steckte.
„Beinahe hätte sie mich erwischt!“, schimpfte er, während er den Raum betrat und den Korb, den er in der Hand trug, abstellte.
„Stattdessen hat sie mich erwischt!“, lachte Tom. „Wie gut, dass ich deine Kleider trug!“
„Ja, das ist richtig praktisch, Zwillingsbrüder zu haben!“, sagte Jacob, während er nachdenklich die Tür betrachtete und dann einen Stuhl unter die Klinke schob. „So, das müsste halten!“
Finn und Tom sahen sich erstaunt an. Heute Vormittag noch hatte Jacob jede Verwandtschaft weit von sich gewiesen, aber anscheinend schien er inzwischen überzeugt davon, dass sie tatsächlich Brüder waren. Was mochte diesen Meinungsumschwung bewirkt haben?
„Nun esst doch was“, sagte Jacob und schob den Jungen den Korb hin. Das ließen die beiden sich nicht zweimal sagen! Hungrig griffen sie nach den Speisen im Korb. Es gab weiches, weißes Brot, hartgekochte Eier, Schinken, Käse und Scheiben von Sülze, dazu kleine Würstchen und Salzgurken. Jacob hatte sich nicht die Mühe gemacht, Teller oder gar Besteck mitzubringen, und so rissen sie dicke Stücke aus dem Brot und aßen Wurst und Käse einfach mit den Fingern hinterher. Ein solch reichhaltiges und köstliches Mal hatten weder Finn noch Tom jemals gegessen, wenn es auch
Weitere Kostenlose Bücher