Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
merkwürdiges Gefühl, aus dem Schutz des Hauses hinaus in die kalte Nacht zu treten. Es war, als sperre das Haus sie aus.
„Kommt“, sagte Tom schließlich, und zog je einen seiner Brüder an der Hand mit sich. „Wir müssen los.“
Es wurde ein langer Weg. Anfangs kamen sie gut voran, aber je mehr sie in die bewohnteren Bezirke von Hohenstadt kamen, desto vorsichtiger gingen sie, aus Angst, einem Erwachsenen in die Hände zu laufen, der sich fragen könnte, wieso drei Jungen in ihrem Alter noch nicht in den Betten lagen.
Anfangs hatten sie sich noch unterhalten. Tom und Finn hatten Jacob von ihrer Kindheit erzählt und davon, wie die Schmidts Finn hereingelegt hatten, indem sie ihm vormachten, ihn adoptieren zu wollen, und wie sie ihnen schließlich die Papiere und auch die beiden Steine abgeluchst hatten. Aber irgendwann schlief das Gespräch langsam ein. Sie waren inzwischen wirklich sehr müde, und während Finn und Tom langes Gehen gewohnt waren, fiel es Jacob zusehends schwerer. Schließlich setzte er sich stöhnend auf die Stufen eines alten Hauses.
„Ich habe Blasen an den Füßen“, behauptete er, „und ich kann keinen Schritt mehr laufen!“
Tom und Finn warfen sich einen kurzen Blick zu. Dann setzten sie sich neben ihn.
„Wir sollten etwas essen“, schlug Finn vor. Wortlos öffnete Jacob seine Schultasche und jeder griff hinein.
„Ein Stück müssen wir schon noch weiter“, sagte Tom, während er ein gekochtes Ei pellte. „Sobald wir da sind, kannst du dich hinlegen und schlafen.“
Jacob seufzte tief.
„Ich hatte keine Ahnung, dass ich mein Bett so mag“, sagte er. „Wenn Mutti mir sagt, ich soll schlafen gehen, dann möchte ich immer am liebsten wach bleiben. Aber wenn ich jetzt an mein warmes Bett denke…“
„Bei uns ist es nicht so gemütlich, wie in deinem Bett“, warnte Tom ihn.
„Schade“, sagte Jacob. „Aber ich bin so müde, dass ich wohl überall schlafen könnte.“
„Dann sollten wir wohl am besten weiter gehen“, sagte Tom.
„Das glaube ich nicht“, antwortete eine fremde Stimme über ihnen. Die Jungen sahen erschrocken hoch. Ohne dass sie es bemerkt hatten, war ein Polizist neben ihnen aufgetaucht, der jetzt streng auf sie herab blickte.
„Darf ich erfahren, was drei Knaben in eurem Alter um diese Uhrzeit auf der Straße machen?“, fragte er streng.
Die Jungen sahen sich an. Was sollten sie sagen? Schließlich straffte Finn die Schultern.
„Wir sind alle drei aus dem Waisenhaus in Burgfeld fortgelaufen“, sagte er trotzig. Tom und Jacob warfen sich einen Blick zu und versuchten dann, so auszusehen, als sei ihnen diese Tatsache keinesfalls neu. Der Polizist betrachtete sie verwirrt.
„Ihr seht euch ähnlich“, sagte er. Sofort sahen alle drei Jungen nach unten, damit der Polizist nicht merkte, wie ähnlich sie sich tatsächlich sahen. Der Polizist schüttelte den Kopf. „Es gab da eine Meldung“, sagte er, „dass jemand aus dem Waisenhaus in Burgfeld verschwunden ist. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass es drei Jungen waren. Merkwürdig.“
Wieder warfen sich die Jungen verstohlene Blicke zu. Wenn eine Meldung an die Polizei in Hohenstadt gegangen war, dann musste Fräulein Winter irgendwie erfahren haben, dass etwas mit Finn und dem Ehepaar Schmidt gründlich schief gelaufen war. Finn konnte sich nicht vorstellen, wie das passiert sein mochte, aber immerhin kam ihm plötzlich eine Idee.
„Ja, es war dumm von uns, von dort weg zu laufen“, sagte er im bedrückten Tonfall zu dem Polizisten. „Wir wollten ein Abenteuer erleben, aber nun ist uns einfach nur noch kalt und wir sind hungrig und wollen zurück.“
Der Polizist nickte wissend.
„War wohl ein bisschen zu abenteuerlich, euer Abenteuer“, sagte er streng, aber Finn sah, dass seine Mundwinkel zuckten.
„Wir wissen, dass das ganz falsch von uns war“, warf jetzt Tom ein. „Bestimmt wird Fräulein Winter furchtbar böse mit uns sein und uns bestrafen.“
Auch Jacob begriff jetzt, was Finn vorhatte und sagte jämmerlich: „Ich nehme jede Strafe auf mich, wenn wir nur wieder zurück dürfen!“
Der Name der Waisenhausvorsteherin schien bei dem Polizisten die letzten Zweifel ausgeräumt zu haben.
„Dann kommt“, sagte er. „Mit dem Auto dauert es keine halbe Stunde bis nach Burgfeld. Ich werde euch hinbringen. Und ich hoffe, ihr habt etwas daraus gelernt!“
„Ja, Herr Polizist“, sagten die drei Jungen wie aus einem Mund und sprangen auf. Betont kläglich
Weitere Kostenlose Bücher