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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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Abendmahl empfangen.
    »Gottesdienst mit Abendmahl mitten in der Woche? Das ist aber übertrieben. Das reicht doch, wenn es das sonntags gibt!«, flüstert Hermann grinsend.
    »Abendmahl. Wird in der Mittagspause auch keiner von satt«, kommt es von Ilse.
    Kaija sieht mich fragend an. Ich übersetze, meine Eltern fänden, dieser mittägliche Gottesdienst mit Vollverpflegung sei eine super Idee, ein toller Service für die Glaubenden und Hungernden.
    Hier im Keller steht auch ein Modell der alten Holzkirche. Wir zwei Zimmerleute staunen über die phantastisch gearbeitete Nachbildung und trauern um den alten Bau. Warum der abgerissen wurde, möchte Hermann wissen. Die Kirche sei zu alt gewesen, vor allem aber zu klein. Die neue habe 1150 Sitzplätze. Ein Restaurieren sei zu aufwendig gewesen, so habe man sich für den Abriss entschieden und 1978 die neue Kirche gebaut, und Alvar Aalto war natürlich die beste Adresse für Neugestaltungen, mit weltweitem Renommee. Hermann und ich sind eher Anhänger des berühmten »das eine tun und das andere trotzdem stehen lassen«, und wären wir stimmberechtigt gewesen, hätten wir die neue Kirche neben die alte gestellt. Uns tut der Abriss schöner Holzbauten in der Seele weh.
    Kaija schwärmt davon, dass im letzten Jahr an einem Tag im Mai alle elf Pfarrer der Kirchengemeinde an drei Orten – Kirche, Krypta und in einem zur Kirche gehörenden Gebäude gegenüber – parallel 33  Hochzeiten vollzogen hätten. Lahtis erste Massenhochzeit. Es sei ein wunderschönes Bild gewesen. Den ganzen Tag waren überall Bräute und Bräutigame zu sehen, strahlende und glückliche Menschen mit all ihren Hochzeitsgästen. Das sei auch eine große Werbung für die Kreuzkirche und ihre Gottesdienste gewesen.
    Wir gehen zurück, steigen die Stufen empor, und Kaija führt uns noch einmal zum Altar. Von dort steigt der Kirchenboden Richtung Ausgang leicht an. Kaija erklärt, dass die Brautpaare, wenn sie dann, nach der Trauung, aus der Kirche schreiten, quasi ein wenig bergauf gehen müssen, als Zeichen dafür, dass der gemeinsame Lebensweg auch mal anstrengend sein könne, als ein Symbol für die Widrigkeiten des Lebens, denen man sich als Paar stellen muss.
    Ich übersetze für meine Eltern. Ilse sieht Hermann an und sagt: »Damit ich gewusst hätte, wie schwer der Weg mit dir wird, da hätten die ’ne Leiter aufstellen müssen!«
    Ich sage Kaija, meine Eltern seien angesichts der Symbolik des angedeuteten Leidens im Lebensweg sehr beeindruckt.
    Nein, nein, Leidensweg habe sie damit nicht sagen wollen, meint Kaija.
    Ich füge dann doch noch hinzu, dass meine Mutter sich eine solche Warnung gewünscht hätte, aber schon vor der Trauung und nicht erst nachher, nicht erst beim Rausgehen. Kaija lacht kurz auf und schaut mich dann irgendwie misstrauisch an. Ob ich sicher sei, immer richtig übersetzt zu haben, fragt sie skeptisch. Ich nicke beruhigend. Dann bedanken wir uns für die Führung und verabschieden uns.
     
    Mein Handy brummt. Ilse zieht die Augenbrauen hoch. Natürlich, Isabel.
    »Wo bist du?«
    »Ich war grad in einer Kirche, in der 33  Paare an einem Tag getraut wurden.«
    »Wie romantisch. Da will ich dich heiraten, Bernd. Ich küsse dich.«
    »Kann jetzt nicht zurückküssen, meine Eltern stehen neben mir!«  
    »Feigling!«
    »Ja!«
     
    Ich will noch in die Tourismusinformation. Hier hat man offensichtlich nicht mit uns gerechnet. Man ist nicht auf Deutsche eingestellt. Es gibt nur Prospekte auf Englisch.
    »Warum gibt es keine deutschen Prospekte?«, frage ich.
    »Weil ihr Deutschen zu gut Englisch könnt!«, ist die schlagfertige Antwort der mich beratenden Finnin. Und sie antwortet auf Deutsch!
    Ilse und Hermann stehen draußen, ich kann sie durch die Scheibe sehen. Ich deute hinaus und sage: »Meine Eltern aber nicht.«
    »Aber die haben doch ihren Sohn. Du sprichst doch Englisch.«
    »Wenn die aber mal ohne mich da sind? Eltern lösen sich manchmal von ihren Kindern.«
    Nun will sie mich trösten: »Letztes Jahr hatten wir welche in Deutsch. Und nächstes Jahr wieder.«
    Deutsche Prospekte nur alle zwei Jahre? Was ist denn das für ein System?
     
    »Kaffee trinken?«, schlage ich meinen Eltern vor. Wir finden die zauberhafte Galleria-Kahvila Oskarin Piha Oy in der Hämeenkatu  17 . Ein Café mit Galerie und Kunstgewerbeshop. Vorne, im ersten Zimmer rechts, ist ein Geschäft mit einladend altem Geschirr, Tüchern und Stoffen, »Vintage Potpouri«. Edles Altes. Hier sitzt,

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