Finne dich selbst!
freundlich lächelnd, eine junge Frau, Ende 20 , dunkelhaarig, braune Augen. Ilse und Hermann unterhalten sich, da sieht sie auf und sagt: »Sie sind aus Deutschland?«
»Jau.«
»Herzlich willkommen! Schauen Sie sich gern um. Zum Café und in die Galerie müssen Sie geradeaus gehen.«
Ich höre ein leichtes Österreichisch heraus. »Das klingt nach Wien.«
»Sie haben recht.«
»Sie siezen mich? Dann sind Sie keine Finnin?«, frage ich.
»Doch, aber ich habe mit meinem Mann und den Kindern acht Jahre in Wien gelebt.«
Unglaublich. Mitten in Lahti spricht eine junge Finnin in perfektem Wienerisch mit uns.
»Maija«, sagt sie, gibt uns die Hand, und ab nun duzen wir uns. Wir schauen uns um. Ihre Waren sind denn auch viel Antiquarisches aus Österreich. Maija erzählt, das Gebäude sei das älteste in Lahtis Innenstadt, das letzte traditionelle Holzhaus, das noch vorhanden ist, gebaut um 1900 . Nun also mehr als 110 Jahre alt. Alle anderen seien im Laufe der Jahre abgerissen worden. Die viel zu heftige Modernisierungswelle habe den gesamten alten Hausbestand Lahtis tsunamisiert. Aber dieses Häuschen glänzt einsam, schön und weiß gestrichen zwischen Stein- und Betonfassaden. Zur Straße hin durch einen weißen Zaun abgetrennt, stehen vor der Tür rechts und links der kleinen Treppe zwei gemütliche Sitzecken.
Wir holen Kaffee und Kuchen aus der Galleria-Kahvila. Geführt wird diese Galerie von Titta, mit listigen Augen und kurzen, grauen Haaren. »Aber flott!«, bedenkt Ilse heute schon die zweite Finnin mit dem größten Kompliment. Drinnen gibt es Bilder, Drucke, kleine Skulpturen, vor allem Holzdesign, Handarbeiten und anderes Skandinavisches, vor allem aber leckersten Kuchen. Das sagen wir ihr auch.
»Den backt mein Mann Markku.«
Ich übersetze.
»Sühste, nicht wie bi us, wo ick gümmer backen mött!«, platzt es augenblicklich aus Ilse Richtung Hermann heraus. Siehst du! Nicht wie bei uns, wo ich immer backen muss.
Tittas Mann hat eine Galerie und Holzwerkstatt am Hafen, Pro Puu. Wir sollen doch mal vorbeigehen, sagt sie. Ich erzähle ihr, Hermann und ich seien Zimmerleute. »Na, dann erst recht!« Es gebe wunderschöne Arbeiten zu sehen. Auch in ihrer Galerie zeigt sie Produkte ihres Mannes.
Wir sitzen bei schönstem Wetter draußen und lassen uns den Kuchen schmecken. Samuel, Maijas Mann, kommt mit den beiden Kindern vorbei. Maija stellt uns vor. Samuel ist etwa in Axels Alter. Graphiker und Internet-Designer mit eigenem Büro hier in Lahti.
»Das ist eine ganz gute Arbeitsteilung mit den Kindern. Wenn ich den Laden mache, kann Samuel sie abholen oder wegbringen«, sagt Majia.
»Und du bist Österreicher?«, frage ich ihn.
»Nur halb. Meine andere Hälfte ist finnisch. Meine Mutter kommt aus Lahti. Aber ich bin zwischen beiden Ländern gependelt. Ich bin in Wien aufgewachsen, aber die Ferien war ich immer hier, und als Schüler und Student habe ich auch immer in Finnland gearbeitet und gejobbt.«
»Und warum seid ihr nach Lahti gezogen?«
»Ach, es ist für die Kinder schöner. Die Natur. Die Großeltern sind nah. Die Wochenenden am
mökki
sind toll. Wir leben gerne hier.«
Samuel und ich verabreden uns zu einem Männerabend, auf ein gemeinsames Bier am Hafen, irgendwann in den nächsten Tagen, möglichst mit Axel. Dann gehen wir satt und zufrieden heim.
Zu Gast bei Bela Lugosi
Mit aufgeregter Vorfreude steigen meine Eltern am Abend die Treppen hoch zu Axel und Viivi. Jetzt sehen sie also, wie der Junge wohnt. Und er wohnt schön. Und vom Balkon aus sieht man sie wieder, die Eiffeltürme Lahtis, die drei Skisprungschanzen. Wir werden herzlich begrüßt. Ich sehe mich um. Im Wohnzimmer hängen Filmplakate gerahmt an den Wänden, von B-Movies, von Horrorfilmen. Boris Karloff als Frankenstein. »The Astounding She-Monster«. »The Day the Earth Stood Still«.»The Wanderers« auf Finnisch. Russ Meyers »Faster, Pussycat! Kill! Kill!«. »Dracula« mit Bela Lugosi. Edgar Allan Poes »Murders in the Rue Morgue«.
Als Viivi kurz draußen ist, sagt Ilse zu meinem Bruder: »Du immer mit deinen ganzen Totenköpfen und Skeletten und so. Das muss doch schrecklich sein für Viivi.«
Axel lacht. »Das findet die doch selber gut!«
Konzertplakate ihrer Lieblingsbands. Regale mit CD s, DVD s, Plattencovern. Bücher. Romane. Comic-Kunst. Tattoo-Magazine. In Englisch, Finnisch und Deutsch. Ein »Dynamite«-Heft, das Magazin für Rockabilly und Psychobilly. Eine Plastikpalme verneigt sich vor
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