Finne dich selbst!
Und der würde sich bitter rächen! Dieses Sauna-Streit-Verbot gehört zu den zehn finnischen Geboten und hat den praktischen Nutzen größtmöglicher Erholung durch Vermeidung jeglicher Aggression.
Der Sauna-
tonttu
ist einer aus einer ganzen Reihe von
tonttus
. Wobei der Finne grundsätzlich unterscheidet zwischen
tonttus
und
peikkos
. Die Definition ist schwierig, immerhin reden wir über vorwiegend unsichtbare Wesen. Es gibt sie, eindeutig, aber man sieht sie fast nie.
Tonttus
leben in Häusern,
peikkos
in der Natur. Die
peikkos
sind meist üble Gesellen. Fiese Trolle. Äußerlich ähneln sie den Menschen und sind verschieden groß, selten kleiner als Menschen. Berg-
peikkos
leben in den Bergen, sie sind wahre Riesen. Der Wald-
peikko
lebt im Wald.
Peikkos
haben eine lange Nase, sie haben lange Hände und einen haarigen Körper. In finnischen Geschichten sind sie meist hässlich und böse.
Tonttus
dagegen sind weit liebenswürdigere Trolle, Wichtel oder Kobolde, Heinzelmännchen, wie manche zu ihnen sagen. Anders als der
peikko
ist der
tonttu
ein großer Menschenfreund und Helfer. Die meisten
tonttus
schützen die Gebäude, in denen sie wohnen, der Mühlen-
tonttu
die Mühle, der Kuhstall-
tonttu
und der Pferdestall-
tonttu
die Ställe, der Garten-
tonttu
den Garten. Wenn alles blüht, wenn Buschwindröschen und Maiglöckchen sprießen, dann war der Garten-
tonttu
sehr fleißig. Aber wenn die Menschen nicht gut für ihre Häuser und ihren Garten sorgen, wenn sie sich nicht genügend um Land und Pflanzen und Tiere kümmern, dann können auch die
tonttus
böse werden und alles kaputt machen und den Garten zerstören. Wenn nichts blüht und wächst, dann hat der Mensch seinem Garten-
tonttu
zu wenig bei der Arbeit geholfen.
Der Sauna-
tonttu
ist, wie die anderen
tonttus
auch, im Grunde mit sehr wenig zufrieden, mit ein bisschen Essen, mit dem Wohnrecht und dem letzten Saunadampf. Aber auch er kann sauer werden, wenn die Menschen die Sauna nicht pflegen oder wenn sie in ihr streiten. Dann lässt er den Ofen knallen!
Die Weihnachts-
tonttus
sind die berühmtesten
tonttus
der finnischen Mythenwelt. Sie helfen dem Weihnachtsmann bei seiner Arbeit, sie helfen, Geschenke herzustellen und auch sie zu verteilen. Und sie beobachten die Kinder, sie achten darauf, ob Kinder lieb sind oder ungezogen, und entscheiden, ob sie viele Geschenke bekommen werden oder vielleicht sogar, in ganz schlimmen, aber natürlich sehr, sehr seltenen Fällen, gar keine.
Tonttus
sind überall, und sie sind »tätig«. Ein Beispiel: Das Phänomen des Verschwindens. Jeder kennt das. Irgendetwas fehlt plötzlich. Es ist ganz natürlich zu erklären. Mit den
tonttus
. Etwas ist verschwunden: Autoschlüssel, Fahrkarte, Lesebrille. Der zweite Socken nach dem Waschen. Der passende Deckel für die Tupper-Schüssel. Und man sucht und sucht und sucht. Ich zum Beispiel bin ein Spezialist darin, in letzter Sekunde etwas suchen zu müssen. Kurz vor Abreise, das Taxi zum Bahnhof ist schon bestellt. Der Reisepass fehlt. Hatte ich doch noch grad in der Hand. Auf dem Tisch? In der Tasche? Bei den Büchern im Koffer? In der Tasche, die ich als Handgepäck …? Mist. Schublade? In der Kiste, in die ich alles geschmissen habe, was noch auf dem Tisch lag, damit die Wohnung ordentlich wirkt, wenn ich nach Hause komme? Ich packe also wieder aus. Der Zeitdruck steigt, ich suche nicht, ich wühle und durchwühle. Ich pflüge regelrecht durch Schubladen und Regale, suche in Jacken, die ich seit Jahren nicht mehr getragen habe. Ich schaue dreimal in allen Taschen der Lederjacke nach, die ich auf der Reise anziehen will. Auch in der Handytasche, die zu klein für einen Reisepass wäre. In dieser Jacke, in der Innentasche, werde ich den Reisepass dann später finden, wenn das Taxi bereits wartet und nur noch eine Aschewolke aus Island meinen Flug so sehr verzögern könnte, dass ich die minimale Chance hätte, den Flieger doch noch kriegen zu können. Diese zwei bis drei Minuten, in denen man die Wohnung aus einem Zustand relativer Ordnung in ein Tal nach Moränenabgang verwandelt, sind so unnütz wie grausam.
Und schon geht es mir hier in Finnland genauso. Wir wollen einen Ausflug machen. Wo ist mein Autoschlüssel? Ich suche. Ich atme schwer. Ich hyperventiliere. Zufällig kommt Viivi vorbei.
»Suchst du was?«
»Meinen Autoschlüssel!«
»Den brauchst du nicht zu suchen.«
»Wieso?«
»Den hat grad ein
tonttu
.«
»Was!?!«
»Wenn die
tonttus
ihn nicht mehr
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