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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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»Nanoq, das ist der Inuit-Name für Eisbären.«
    »Genau, und sein Museum heißt so. Es liegt in Pietarsaari, nicht weit von Kokkola. Pietarsaari oder, auf Schwedisch, Jakobstad. Liegt also auch in Mittel-Ostbottnien.« Ilse wirft ein: »Ostbottnien, das klingt ja fast wie Ostwestfalen.«
    Hajo hat schon den Hörer in der Hand: »Ich rufe Pentti an. Wenn er Zeit hat, führt er euch selber.«
    Und kaum noch ein Wunder, er erreicht ihn und kündigt uns für den folgenden Morgen an. Dann machen die Damen noch eine letzte Runde mit dem Hund. »Rosa, hopi-hopi«, befiehlt Ilse perfekt ostbottnisch und wird sofort verstanden. Hajo staunt. »So schnell gehorcht die bei mir nicht immer!«
     
    Am nächsten Morgen wird zuerst Ilses Auge begutachtet. Noch nicht viel besser, aber immerhin auch keine Verschlechterung. Sie bekommt Salbe mit auf den Weg. Nach einem leckeren Frühstück verabschieden wir uns mit großem Dank und den besten Wünschen.
    »Ich habe auch die Krankenkassenkarte mit«, sagt Ilse.
    »Lass mal«, sagt Anna Maj, »das ist unser Willkommensgeschenk.«
    »Wenn es uns nach Ostwestfalen treibt, kommen wir bei euch vorbei«, verspricht Hajo.
    »Und wenn ihr noch neue Mitglieder für den Verein der unterdrückten Männer braucht …«, sagt Hermann.
    »Die Warteliste ist lang«, zwinkert Hajo.
    »Grüßt Pentti von uns«, ruft Anna Maj uns noch zu. Dann rollen wir Richtung Pietarsaari.
     
    Ein großer Teil der finnischen Museumslandschaft entspringt den Sammelleidenschaften Einzelner. Der Finne ist in dieser Beziehung etwas verrückt. Geradezu manisch. Natürlich gibt es berühmte staatliche Museen, in Helsinki das Kiasma, das Museum für moderne Kunst, in Inari das Siida, das Museum für nordische Natur und samische Kultur. Aber es gibt auch echte Perlen zu entdecken, mitten in der Provinz, die allein dem ganz persönlichen Spleen Einzelner zu verdanken sind. So ein Museum ist das Nanoq.
    Wir sind im womöglich einzigen privaten arktischen Museum der Welt verabredet. Pentti Kronqvist begrüßt uns herzlich. Pentti ist genauso alt wie meine Mutter, Jahrgang 1938 . Also über 70 . Ein sportlicher, schlanker, großer Mann. Drahtig. Graue Haare, grauer Schnurrbart. Die Begeisterung blitzt ihm aus den Augen. Er ist früher ein echter Haudegen gewesen. Ein Finne, wie er im Buche steht. Abenteuerlustig, naturverbunden. Im Hauptberuf Feuerwehrmann, im Nebenberuf Abenteurer und Expeditionsleiter. Der ambitionierte Taucher war vor allem auch ein Extremsportler, den ganzen Winter über auf Skiern unterwegs. Irgendwann packte ihn der Ehrgeiz, und er überquerte im Winter 1966 den zugefrorenen Bottnischen Meerbusen von Finnland nach Schweden auf Skiern. Das war der Anfang verschiedener extremer Reisen, die er auch für das finnische Fernsehen dokumentierte. Die Filme können im Museum in der hauseigenen Mediathek betrachtet werden. Dafür reicht unsere Zeit heute nicht. Wir schauen nur einen kleinen Ausschnitt und staunen über arktisches Wetter, den Willen und das Wirken dieses Mannes.
    Er erzählt mit Zurückhaltung und trotzdem großem Enthusiasmus. 1973 hatte Pentti die kanadische Insel Baffin Land das erste Mal besucht, dort auch Pangnirtung, einen Ort, den ich selbst gut kenne. Ich berichte ihm von meiner Reise auf den Spuren von Franz Boas. Pentti fragt interessiert nach allen Reisestationen und erzählt dann von seinen Fahrten, vom Kampf mit der Natur.
    »Der ist wenigstens rumgekommen«, sagt Ilse.
    Hermann kontert: »Wenn du gewollt hättest, dass ich auch eine Arktis-Expedition mache, hättest du das eben sagen müssen!« Verschmitzt fügt er noch dazu: »Aber manchen Winter war es auf den Baustellen in Deutschland mindestens genauso kalt wie bei Pentti auf seinen Reisen!«
    Pentti war auch viel zu Fuß in der Arktis unterwegs, 1981 stellte er mit seinem Team den Weltrekord für eine Grönland-Durchquerung auf. Das erste Mal hat er die Insel 1971 besucht, und 1976 ist er dann auf Skiern von Grönland, von der Thule Airbase über die Packeisfläche nach Kanada, ins heutige Nunavut gelaufen. Auf diesen Wanderungen kam Pentti immer wieder mit Inuit in Kontakt. Er war fasziniert von den arktischen Völkern und ihren Lebensumständen. Er sammelte Artefakte, Stücke aus der Lebenskultur der Inuit, aber auch Expeditionsausrüstungen, Kleidung, Werkzeuge. Boote, Angeln, Netze. Er geht mit uns durch die Ausstellung und erklärt uns die Exponate. Ob er weiter dorthin reist, möchte Ilse wissen. Er nickt. Immer wieder

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