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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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fliehen oder sich in den Labyrinthen der uralten Stadt zu verstecken; Saddam Hussein hatte im Laufe seiner über zwanzigjährigen Alleinherrschaft Zehntausende Schiiten töten lassen.
    Die Muezzin riefen immer noch den Adhan , es dröhnte so in den Ohren, dass Umar die Lautstärke an seinem Hörgerät änderte. Er schämte sich, dass er keine Zeit hatte, in die Moschee zu gehen, aber jetzt musste er sich konzentrieren und an die Arbeit gehen. Jamal Tagmouti hatte gerade eine wichtige Nachricht aus Sankt Petersburg an ihn gemailt – der Erpresser war gefunden. Der Tod würde eine zu milde Strafe für Turan Zana sein, der Kurde hatte ihm zum unpassendsten Zeitpunkt Kopfschmerzen bereitet, kurz vor dem Anschlag, der die Welt verändern würde. Er hatte Zana nie gemocht: Der Kurde nannte ihn hartnäckig Carlos Candelaria, obwohl er seinen Namen schon vor Jahrzehnten geändert hatte.
    Umar versuchte seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen und positiv zu denken. Zum Glück war nicht Adil der Erpresser: Sie hatten sich im Laufe des Jahres, in dem Adil als sein Assistent gearbeitet hatte, angefreundet. Umar musste sich eingestehen, dass viele seiner genialsten Pläne ursprünglich von Adil ausgearbeitet oder zumindest vorgeschlagen worden waren, anderen gegenüber würde er das jedoch nie zugeben. Adil hatte ihm geholfen, im Internet ein Kommunikations- und Datenübermittlungssystem aufzubauen, mit dem die Zellen von Takfir Kontakt halten konnten, ohne die Nachrichtendienste fürchten zu müssen. Und Adil hatte ihn mit Wassili Arbamow zusammengebracht. Das war der Mann, der Takfir wal Hijra das Gerät übergeben würde, mit dem ein neues Zeitalter des Terrorismus begänne.
    Umar versetzte der surrenden Klimaanlage einen Tritt, in der Höhle war es unangenehm kühl und muffig. Adil hatte Takfir einen so großen Dienst erwiesen, dass Umar ihm den Fehler verzeihen wollte, einen Verräter, Turan Zana, und die PKK für den Schmuggel des Heroins von Afghanistan nach Petersburg vorgeschlagen zu haben. Die Entscheidung fiel Umar leicht, niemand wollte Adil zum Feind haben, denn die Fangarme der einflussreichen Sippe al-Moteiri reichten bis ins Herz der Machtstrukturen fast jedes arabischen Landes.
    Die Riegel der einen Zoll starken Stahltür öffneten sich mit einem dumpfen Geräusch. Umar schob die schwere Tür auf und stieg die Metalltreppe hinauf, die unter den massiven Bohlen endete. Er stieß die Falltür mit solcher Wucht auf, dass sie bis ans Ende des Hinterzimmers rutschte. Nachdem er den Tunnel verlassen hatte, stellte er sich vor den großen matten Spiegel und glättete seine Sachen: Dank des Bartes und der Sonnenbräune konnte man ihn schon als Araber ansehen, und das weiße Hemd und die dunkleBaumwollhose erweckten den Eindruck, als sei er ein ganz normaler Einwohner Nadschafs.
    Umar zog den Vorhang an der Türöffnung zu dem kleinen Geschäft beiseite und sah, dass sein Gehilfe Nabil gerade mit zwei Kunden feilschte, die einen Turban trugen. Sein Hörgerät erfasste die Worte der Männer nicht. Er und Nabil verkauften den Pilgern Souvenirs: Gebetsschnüre sowie Gebetsutensilien aus dem heiligen Lehm von Kerbela. Die Schiiten wollten ihren Kopf sowohl beim Beten als auch beim Schlafen auf den heiligen Boden von Kerbela legen.
    Umar trat hinaus auf die enge Basargasse, in der die Sonne stets nur einen kleinen schmalen Streifen beleuchtete; jetzt trafen ihre Strahlen das gegenüberliegende Stoffgeschäft. Wie üblich herrschte ein dichtes Gedränge, und die Abfälle in der Gasse stanken. Er fand, dass dieser Morgen für einen Dezembertag ungewöhnlich warm war.
    Nachdem Umar in seinen unterirdischen Schutzraum zurückgekehrt war und die Stahltür verriegelt hatte, schaltete er die Leuchttafel ein und sah ein Foto des Zielobjekts ihres geplanten Anschlags: ein zweihunderteinundsechzig Meter langes und dreißig Meter breites schwimmendes Luxushotel, die »Pride of Britain«, mit ihren glänzend weißen Flanken und gelben, stilisierten Schornsteinen. Das Schiff, das morgen zweitausendzweihundert geladene britische Gäste und eine achthundertköpfige Mannschaft befördern würde. Dreitausend Opfer. Am 11. September waren ein paar Ungläubige weniger gestorben.
    Das Kreuzfahrtschiff der urbritischen Reederei P&O war schon vor zwei Tagen von der deutschen Werft zu seiner Jungfernkreuzfahrt »Perlen der Ostsee« aufgebrochen und sollte im Laufe einer Woche Oslo, Kopenhagen, Stockholm, Helsinki und Sankt Petersburg und

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