Finnischer Tango - Roman
und der PKK bei der Schaffung eines Kurdenstaates zu helfen, obwohl er die Mittel verachtete, mit denen die Kurden ihren Freiheitskampf führten: Drogenhandel, Kindersoldaten, Bombenanschläge auf zivile Objekte, Entführungen …
Der Frost drang ihm bis ins Mark, sobald er aus seinem Auto stieg. Die von der Säure verätzte Haut seiner Beine reagierte empfindlich auf Temperaturveränderungen. Adil fragte sich, wie viele britische Soldaten in Camp Bucca wohl wussten, dass sein Landsmann Abu Bakr Muhammed Ibn Zakariya al-Razi die Schwefelsäure schon vor tausend Jahren erfunden hatte.
Stechender Uringeruch drang ihm im Treppenflur von Turan Zanas Haus in die Nase, der Gestank weckte demütigende Erinnerungen an die Zeit in Camp Bucca. Den sechzehn Gefangenen in der für acht Menschen vorgesehenen Zelle stand nur ein Abort zur Verfügung, ein Loch, das so angelegt war, dass sich die Häftlinge fünfmal täglich beim Gebet zu ihm hin – in Richtung Mekka – verneigen mussten.
Adil klingelte an Zanas Wohnungstür, und kurz darauf umarmten sich die beiden Männer in der unaufgeräumten, fast unmöblierten Ein-Zimmer-Wohnung.
»Ist bei meinem wichtigsten Helfer alles in Ordnung? Nach dem Lächeln zu urteilen, bist du mehr als zufrieden.« Adil klopfte Zana auf die Schulter.
»Warte einen Augenblick, gleich wirst du alles erfahren.«
Adil betrachtete seinen Helfer, der in die Kochnische ging. Zana war breitschultrig, groß und hatte ein rundes Gesicht, er war physisch also vollkommen das Gegenteil von ihm. Vor Adil auf dem niedrigen Couchtisch tauchten Weizenbrot mit Bulgur, Lammfleisch, Dolma und Sarma und Fetapasteten auf. Und natürlich Tee, den die Kurden vermutlich auch beim Schwimmen tranken.
Während Adil aß, berichtete Zana detailliert über alle Ereignisse in Eeva Hallamaas Wohnung, die Beschreibung der grausamen Einzelheiten des Mordes an Arkadi Kirilow schien der Kurde besonders zu genießen. »… die Inszenierung macht die Frau zur Verdächtigen, aber nicht zur Schuldigen. Noch nicht.«
»Auch diese Etappe ist also genau so absolviert wie vorgesehen«, sagte Adil höflich, dachte dabei jedoch, dass auch Zana nicht imstande wäre, seinen Plan zu verderben. »Morgen ist ein großer Tag. Bist du bereit?«
Zana schien beleidigt zu sein. »Aber natürlich. Alles ist in Ordnung. Wir liefern Arbamows Männern überall in Europa ständig Nachschub, zuletzt heute morgen nach Polen und Deutschland. Und die Russen verteilen das Heroin auf den Straßen wie Waschzettel. Sie haben auch schon angefangen, die Preise zu erhöhen. Das Geld fließt so reichlich wie Wasser aus der Leitung, und bald wird es auch jede Menge Leichen geben.«
»Und das Honorar? Ist auch da alles in Ordnung?«, erkundigte sich Adil, obwohl er überzeugt war, dass Arbamow der PKK das Geld für den Schmuggel des afghanischen Heroins nach Sankt Petersburg schon bezahlt hatte. Auch er hatte sein Honorar in Höhe von einer Million Dollar dafür, dass er Arbamow und die PKK zusammengeführt und andere Dienste geleistet hatte, bereits erhalten. Das war ein guter Anfang.
Zana bestätigte mit einem breiten Grinsen, dass die PKK ihr Geld erhalten hatte.
»Du kannst den Befehl erteilen, die Drogensüchtigen zu töten«, sagte Adil.
Zana wirkte zufrieden. »Die Eeva wird bald laut jubelnd in die Zusammenarbeit einwilligen, sie ist schon jetzt total in Panik. Soll ich bereits heute Kontakt mit ihr aufnehmen?«
»Das überlege ich mir noch«, erwiderte Adil und verabschiedete sich von Zana.
»Ich bin bereit.«
»Auch ich, mein Bruder.«
Adil konnte noch die Sätze von Zanas Selbstgespräch hören, bevor er die Wohnungstür schloss. Zana gehörte vermutlich in Lawrence Kohlbergs Theorie zur Entwicklung der Moral auf die vormoralische Stufe, wo die Folgen einer Tat bestimmen, ob sie gut oder schlecht ist. Deshalb hatte er Zana auch als Helfer ausgewählt, der arme Teufel war in seinem Fanatismus bereit, sogar seinen Finger zu essen, wenn das den Kurden zu einem eigenen Staat verhelfen würde. Zum Glück verschonte Zana ihn mit seinen Weisheiten, selbst ihm war klargeworden, dass man dem Meister nicht das ABC beizubringen brauchte.
Adil setzte sich in seinen gemieteten Mégane, die Imitation einer Gefriertruhe, und überlegte, ob er jemals einen merkwürdigeren Menschen getroffen hatte als Turan Zana. Der Mann führte Zwiegespräche mit sich selbst und hasste die Türken inbrünstig, obwohl er selbst einer war. Zanas dreizehnjährige Mutter aus
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