Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Studium am Institut für Informationstechnologie der Columbia University abgeschlossen hatte, als Bester seines Kurses. Im selben Jahr hatte IBM ihn eingekauft und in der Abteilung für Produktentwicklung eingestellt. Und Evelin hatte »Ja, ich will« gesagt. Danach lebte er fünfeinhalb Jahre wie im Traum: Der warme Geldregen nahm kein Ende, auf eine Beförderung folgte die nächste, und seine Zukunft sah genauso märchenhaft aus wie die der ganzen Branche.
Doch am 19. Oktober 1987 veränderte sich alles. Der Schwarze Montag, der größte Crash innerhalb eines Tages in der Geschichte der New Yorker Börse, kam für ihn genauso überraschend wie für alle anderen. Er war jedoch gieriger gewesen als die meisten und hatte Aktien und gewinnbringende Obligationen mit geliehenem Geld gekauft. Nach dem Schwarzen Montag schuldete er der Bank sechshunderttausend Dollar für Wertpapiere, die auf dem Markt nicht einmal mehr hunderttausend Dollar brachten.
Das Yuppie-Leben endete auf einen Schlag, die Bank verkaufte die Wohnung, Frau und Kinder verließen ihn, und seine Nerven versagten. Schließlich hatte IBM genug von seinen ständigen Krankschreibungen und wies ihm höflich die Tür.
Es war Zeit loszufahren, beschloss Waisanen. Er schaltete seinen Laptop aus und packte ihn ein. Vor Hunger tat ihm derMagen weh, und im Mund spürte er den Geschmack von Katzenpisse, seit vierundzwanzig Stunden hatte er nichts gegessen. Er bezahlte an der Rezeption seine Rechnung, verabschiedete sich von Eduardo und ging zu seinem Wagen. Vom nahegelegenen Bootshafen hörte man ein Geräusch, das an das Pfeifen einer Dampflok erinnerte. Eine lärmende Touristengruppe ging an Bord eines massiven Sea-Ray-Motorboots. Er vermutete, dass sie Kurs auf Havanna nehmen würden.
Die Altstadt von Key West blieb hinter ihm zurück, und Waisanen beschleunigte seinen Buick LeSabre in Richtung Highway Nr.1 und Miami. Er musste an sein Verbrechen denken. Die Kodierer in der EDV-Abteilung der National Bank bezogen ein ganz passables Gehalt, aber wegen der Unterhaltszahlungen und der Kreditraten lebte er schon seit Jahren fast von der Hand in den Mund. Natürlich läuteten die Alarmglocken in seinem Kopf, als ihm im Herbst jemand aus Finnland ein Treffen mit einem russischen Geschäftsmann vorgeschlagen hatte. Doch seine Neugier siegte. Protaschenkos Angebot war so überraschend gewesen, dass er nicht lange zu überlegen brauchte. Vor einer reichlichen Woche hatte er dem Russen die Kundennummern und Kontendaten der größten Kunden der National Bank übergeben. Das Honorar würde reichen, um all seine Schulden zu bezahlen.
Protaschenkos Tod brachte ihn dann völlig aus der Fassung. Ihm wurde klar, dass er sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen hatte. Mit Sicherheit war Protaschenko ermordet worden. Und wenn er nun als Nächster dran wäre? Zur Polizei wollte er nicht gehen. Jedenfalls noch nicht. Wenn herauskäme, was er getan hatte, würde er nie wieder einen anständigen Job finden, und das Schicksal eines Arbeitslosen in den USA war trostlos. Man erhielt so eine geringfügige Unterstützung, dass er über kurz oder lang unausweichlich auf der Straße landenwürde. Doch gestern hatte er eine Idee gehabt, wie er sich absichern könnte. Er verfasste eine E-Mail, die in einer Woche automatisch abgeschickt würde, falls er es nicht rückgängig machte. Wenn ihn jemand bedrohte, könnte er sagen, dass im Falle seines Todes das FBI, die National Bank, die finnische Kriminalpolizei und die Sicherheitspolizei erfahren würden, wer hinter dem Wiremoney-Coup stecke. Zum Glück fanden sich im Internet auch die E-Mail-Adressen der finnischen Behörden. Er hatte den Verdacht, dass in die Geschichte auch noch andere Finnen verwickelt waren, nicht nur die Person, die den Kontakt mit dem Russen hergestellt und ihn selbst außerdem durch Bestechung dazu gebracht hatte, zu verraten, wofür die National Bank Inferno einsetzen wollte.
Waisanen schreckte auf, als er das Schild von Big Pine Key sah. Er war schon dreißig Meilen gefahren. Wenig später sah er um sich herum nur noch das offene Meer. Das rot-orangefarbene Licht der aufgehenden Sonne färbte den Golf von Florida verwirrend schön.
Ein Piepen ließ Waisanen zusammenfahren. Auf dem Armaturenbrett blinkte eine Warnleuchte, und das Motorgeräusch hörte sich dumpf an. Er musste auf dem Randstreifen der Brücke anhalten.
Waisanen hob die Motorhaube und stützte sie ab. Er beugte sich vor und hoffte, den Schaden
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