Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
beheben zu können. Der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Ein schwarzer Plastikschlauch hing lose herab, und aus ihm tropfte Flüssigkeit auf den Asphalt. Er befestigte den Schlauch wieder. Plötzlich wurde der Verkehrslärm ohrenbetäubend. Er richtete sich auf, um zu sehen, was für ein Gefährt einen derartigen Krach machte, und erblickte einen riesigen LKW so nahe vor sich, dass er auf dem Kühlergrill das Wort MACK erkennen konnte.
Er hatte kein sehr schönes, aber ein schnelles Ende.
9
Der Lüfter des alten Käfers jaulte wie ein Marder in der Falle und blies eiskalte Luft in den Wagen, obwohl der Motor schon fünf Minuten lief. Auch das Verdeck des Cabrios funktionierte so miserabel, dass Ratamo trotz der Handschuhe an den Fingern fror. Der VW beging in diesem Jahr seinen dreißigsten Geburtstag und war schon lange museumsreif.
Ratamo hatte das tausend Quadratmeter große Lager des Antiquitätengeschäfts »Antiikkilinja« durchstöbert, und es ärgerte ihn immer noch, dass der Preis des massiven Sofas im funktionalistischen Stil so hoch lag. Aus dem Autoradio erklang Chris Reas »On the beach«, und Ratamo musste lächeln. In der Kantine der Aufklärungskompanie von Immola hatte man den Titel 1987 pausenlos gespielt, im kältesten Januar seit Beginn der Aufzeichnungen in der finnischen Wetterstatistik. Er sehnte sich nach dem Sommer wie das Büblein klein nach der Mutterbrust.
Die Reifen des grellgelben Käfers blockierten beim Bremsen, und der Wagen rutschte ein paar Meter auf der glatten Sturenkatu, ehe er vor dem Kiosk zum Stehen kam. Ratamo kannte in Helsinki nur zwei Kioske, in denen unter dem Ladentisch Kautabak verkaufte wurde, und er besuchte sie abwechselnd. Der Verkauf von Kautabak war verboten – galt das möglicherweise auch für den Kauf, überlegte Ratamo und zögerte. Er beschloss, die Sache erst zu klären, bevor er Probleme bekäme. Schließlich war er jetzt Polizist.
Kurz vor Sörnäinen musste der Käfer auf der Hämeentie an einer Ampel halten, und Ratamo sah linker Hand seine alte Arbeitsstelle. Er erinnerte sich sehr gut, wie er seinen früheren Beruf gehasst hatte, und eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn. Jetzt hatte er eine Arbeit, die ihn interessierte. Nachdem Schicksalsschlag im vorletzten Sommer war er endlich reif gewesen, das zu tun, wovon er jahrelang geträumt hatte, nämlich der Nationalen Forschungsanstalt für Veterinärmedizin und Lebensmittelprüfung den Rücken zu kehren. Den Beruf des Forschers, die Medizin und die Virologie hatte er nie gemocht und nur auf Druck seines Vaters und des Geldes wegen gewählt. Doch als der Tod in jenem Sommer so nah gewesen war, hatte er endgültig verstanden, an welch seidenem Faden das Leben hing. Seinem eigenen Willen zu folgen betrachtete er nicht mehr als eine mögliche Alternative, sondern als Verpflichtung. Er wollte nicht nur irgendwie möglichst bequem seine Zeit verbringen und gewissermaßen von außen zusehen, wie er alt wurde. Das Leben musste gelebt werden.
Ratamo glaubte, dass die Arbeit bei der SUPO interessant und abwechslungsreich sein würde, wenngleich er bisher nur kleine Kostproben davon erhalten hatte. Die Polizeischule und die Polizeifachhochschule wollte er so schnell wie möglich absolvieren, obwohl ihm das Studieren nach der jahrelangen Pause schwerfiel. Zum Glück machten sein gutes Gedächtnis und die Prüfungserfahrungen aus dem Medizinstudium das Pauken leichter. Es verwunderte Ratamo, dass auch so viele andere im Erwachsenenalter beschlossen hatten, den Beruf zu wechseln. In seinem Kurs auf der Polizeischule waren noch vier Schicksalsgefährten gewesen, die auch schon einen Universitätsabschluss besaßen.
Das Studienpensum würde auch künftig sehr straff sein, aber er wollte sich nicht unter Leistungsdruck setzen. Beim Verlassen der Forschungsanstalt hatte er sich geschworen, dass er sich nicht mehr verrückt machen lassen würde. Nur bierernste Menschen wollten alles unter Kontrolle haben und beim Lebensspiel auf Nummer sicher gehen. Er arbeitete für sein Studium, übernahm dann und wann Aufträge bei der SUPO undkonnte außerdem noch viel Zeit mit Nelli verbringen. Auch wegen seiner Finanzen brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Er kam mit dem Gehalt aus, das die SUPO ihm als Praktikanten zahlte. Kaisas Geld wollte er nicht anrühren.
Die Farbe an der Ampel wechselte. Ratamo folgte einer Eingebung des Augenblicks und bog nach links ab. Er wollte kurz bei seiner ehemaligen
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