Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
eingefallen war, wie sie Merikallio auf höfliche Weise loswerden konnten.
Der Direktor rief Aalto an und teilte ihm mit, dass die SUPO-Mitarbeiter ihn jetzt besuchen würden. Er begleitete seine Gäste bis zur Tür von Aaltos Zimmer, ging aber nicht mit hinein. Auf dem Flur dröhnte einer der neuesten Top-Ten-Hits. Anna-Kaisa Holm überlegte verwundert, wie sich hier wohl jemand konzentrieren konnte.
»Haben Sie es also endlich bis hierher geschafft«, sagte Timo Aalto verdrossen, während er den Ermittlerinnen die Hand gab.
»Ihr Vorgesetzter machte einen erschrockenen und besorgten Eindruck«, erwiderte Riitta Kuurma. Aalto schnaufte. »Die Befähigung verhält sich umgekehrt proportional zur eingebildeten Wichtigkeit. Der Titel des geschäftsführenden Direktors ist das einzige, was Merikallio als Leiter auszeichnet.«
Riitta Kuurma war verdutzt, dass Aalto seine Abneigung so offen zeigte. In der Regel verbarg man solche Antipathien Außenstehenden gegenüber. Sie betrachtete den großgewachsenenblonden Mann. Dass er Ingenieur war, ließ sich leicht erraten. Er trug Jeans, und in der Brusttasche seines Hemdes steckte eine ganze Serie von Stiften. Auf der Stuhllehne hing ein Sakko, das ziemlich teuer aussah. Aalto wirkte ein wenig schludrig, aber irgendetwas an seinem kantigen Gesicht fand Riitta Kuurma anziehend. In diesen Typ könnte man sich leicht verlieben, überlegte sie, obwohl die Männer sie in letzter Zeit nicht interessiert hatten. Selbst der dümmste Mensch war schlau genug, einen großen Bogen um ein Sumpfloch zu machen, wenn er oft genug hineingefallen war.
Aalto goss Mineralwasser in ein Glas und trank gierig. Er wirkte müde und nervös. Riitta Kuurma fragte sich, ob er überanstrengt war oder einen Kater hatte. Der Mann war fünfunddreißig Jahre alt, sah aber aus wie über vierzig.
Riitta Kuurma erklärte noch einmal, was sie zu den Ereignissen in Miami sagen konnte, und bat Aalto dann, über seine Rolle in der Inferno-Arbeitsgruppe zu sprechen.
Aalto sagte, er habe den Algorithmus von Inferno schon vor Jahren in seiner eigenen Firma entwickelt. Später hatte SH-Secure seine Firma und all ihre Produkte und Rechte aufgekauft. Riitta Kuurma glaubte aus seinen Worten Verbitterung herauszuhören, als er erzählte, SH-Secure habe sofort nach dem Kauf einen Traumvertrag abgeschlossen. Finn Security wollte sein äußerst schnelles und zuverlässiges Verschlüsselungsverfahren haben, das er für Großunternehmen entwickelt hatte. Der Aktienwert von SH-Secure war auf das Doppelte gestiegen, und eine Menge Geld floss in die Kassen der Firma.
»Sie profitieren doch wohl auch, wenn SH-Secure erfolgreich ist? Ein Mann in Ihrer Position hat bestimmt Optionen wie Sand am Meer, oder?«, entgegnete Riitta Kuurma. Sie schaute sich in dem Raum um und versuchte daraus Schlüsse zu ziehen, was für ein Mann Aalto war. Auf den Tischen stapeltensich die Unterlagen, den Monitor zierten drei Familienportraits, und an den Wänden hingen Fotos von Vögeln. Den Rahmen nach zu urteilen, hatte er die Bilder selbst gemacht.
Man hätte ihm vor dem Kauf seiner Firma sagen müssen, was SH-Secure mit seinem Verschlüsselungsverfahren plante, erwiderte Aalto mit Groll in der Stimme. Dann murmelte er irgendetwas von einem niedrigen Kaufpreis und verstummte. Urplötzlich warf er mit aller Kraft einen Flummi an die Wand und fing ihn wieder auf.
Riitta Kuurma vermutete, dass man ihn bei dem Geschäft übers Ohr gehauen hatte. Vielleicht würde sich das herausstellen, wenn man seinen Hintergrund untersuchte. Ihr Blick fiel auf das Foto eines ungewöhnlich hässlichen Vogels, das zwischen zwei Monitoren an der Wand befestigt war.
»Das ist ein Gänsegeier. Ein äußerst seltener Gast in Finnland. Ich habe ihn im Sommer vor zwei Jahren in Korppoo fotografiert.«
Anna-Kaisa Holm stellte Aalto die gleichen Fragen wie bei DataNorth und Finn Security und erhielt im Großen und Ganzen die gleichen Antworten. Sie machte sich mit konzentrierter Miene Notizen.
Als Aalto versicherte, es sei nicht möglich, in die Datensysteme von SH-Secure einzubrechen, fragte sie, wer alles Zugang zu den technischen Daten von Inferno hätte haben können. Er antwortete ausweichend und sagte schließlich, im Laufe der monatelangen Entwicklungsarbeit hätten viele Daten kopieren können.
Das überraschte Riitta Kuurma. Tommila und Laitakari waren absolut sicher gewesen, dass außer einem der Inferno-Verantwortlichen niemand anders Zugang zu den Daten
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