Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
seiner Haare.
Ratamo nahm sich eine Flasche Mineralwasser und hielt es für sinnlos, so zu tun, als wäre er nicht verkatert. »Der Schnaps schreit nach Wasser«, stellte er apathisch fest.
»Ist alles in Ordnung, Arto?«, fragte Ketonen und zog Musti, die von dem Trubel ganz begeistert war, am Halsband neben sich. Ratamo kam sich unter den neugierigen Blicken der anderen vor wie ein Seehund im Zirkus, und das wurmte ihn. Er sagte, er habe den Jahresabschluss von Fortum gefeiert. Das hörte sich angenehm sachlich an.
Riitta Kuurma traf als letzte ein und warf schon an der Tür einen Blick auf Ratamo. Der Mann sah ja ganz verlebt aus, er hatte doch nicht etwa angefangen zu trinken?
Die Erinnerung daran, wie Riitta Kuurma ihn damals betrogen hatte, tat Ratamos ohnehin schon angeschlagenem Selbstbewusstsein weh. Wenn sie doch bloß keine Jeans tragen würde, er konnte sich nicht von dem Anblick losreißen.
Ketonen bemühte sich, einen gutgelaunten Eindruck zu machen, obwohl er befürchtete, dass ihnen nichts Gutes bevorstand. Er hatte eben den Abteilungsleiter für Polizei im Ministerium angerufen und sich von Korpivaara einiges anhören müssen. Angeblich hätte er schon am Montagabend über den Fall Inferno Bericht erstatten müssen. Die Volkswirtschaft sei in Gefahr, hatte Korpivaara gebrüllt, wenn DataNorth und damit die ganze finnische IT-Industrie ihren guten Ruf verlören. Ketonen war sicher, dass der Abteilungsleiter überreagieren würde, und die Folgen müsste er dann ausbaden. »So, liebe Brüder und Schwestern. Wie stehen die Aktien? Fasst euch kurz. Fang du diesmal an, Anna-Kaisa.«
Wrede schaute verdrossen drein. Holm schien Ketonensneuer Liebling zu werden. In einer hierarchisch organisierten Institution müsste das Wort nach der Rangordnung erteilt werden. Hatte die Frau sich einen engen schwarzen Rock angezogen, um Ketonen den Kopf zu verdrehen?
Anna-Kaisa Holm gab eine kurze Zusammenfassung der Gespräche bei Finn Security und SH-Secure. Ihrer Überzeugung nach sei es nicht möglich, in die Datensysteme eines der drei Unternehmen einzubrechen, also müsse derjenige, der die Informationen weitergegeben hatte, einer der drei Inferno-Verantwortlichen sein. Legte man die Kalendernotiz Protaschenkos zu Grunde, war Pauliina Laitakari weiterhin die Hauptverdächtige. Ein möglicherweise tatbeteiligter Vietnamese sei nicht gefunden worden.
Ketonen war so begeistert, dass er fast seinen Kaugummi ausgespuckt hätte. »Wir suchen also einen finnischen Verräter, der das elfte Gebot vergessen hat: Stehle nicht mehr, als du tragen kannst.«
»Und wenn Protaschenko nur einen Boten des Verräters getroffen hat?«, schlug Ratamo vor.
»Das ist möglich, aber unwahrscheinlich. Dann hätte der Verräter seinen Kontakt zu Protaschenko zumindest einem Menschen gegenüber offenbaren müssen. Laut Statistik handelt ein intelligenter Krimineller nur dann so, wenn er gezwungen ist oder wenn er sicher sein kann, dass der Einsatz eines Helfers sein Risiko, erwischt zu werden, verringert. In diesem Fall konnte der Verräter nicht annehmen, dass es ihm nützen würde, einen Boten zu beauftragen – im Gegenteil«, antwortete Anna-Kaisa Holm und starrte Ratamo mit wässrigen Augen an. Sie wollte Ketonen nicht sagen, dass sie auch auf Hunde allergisch reagierte. Die anderen würden sie dann für jemanden halten, der sich ständig über irgendetwas beklagte.
Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. Eine kürzere Belehrung hätte auch genügt, Ratamos Selbstbewusstsein wurde heute auf eine harte Probe gestellt. Er beschloss, bei seinem ersten Priem an diesem Tag Trost zu suchen. Doch kaum lag das kleine Röllchen unter der Oberlippe, wurde ihm übel. Unauffällig holte er ihn mit dem Zeigefinger wieder heraus, wickelte ihn in ein Papiertaschentuch und steckte es in die Tasche. Er bemerkte, dass Riitta Kuurma ihn dabei beobachtete, und zwinkerte ihr aus lauter Bosheit zu.
»Was würde geschehen, wenn es jemandem gelänge, in das Inferno-Programm einzubrechen?«, fragte Riitta Kuurma.
»DataNorth, SH-Secure und Finn Security müssten wahrscheinlich ihre Geschäftstätigkeit einstellen. Wenn irgendeinem Großunternehmen Schaden zugefügt würde, könnte das weltweite Auswirkungen haben. Möglicherweise würden der elektronische Bankverkehr und Handel für längere Zeit unterbrochen. Das brächte Hunderten Unternehmen große Verluste. Schon viel weniger hat ausgereicht, um ganze Staaten in eine Krise zu stürzen«,
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