Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Entdeckung des Einbruchs schließen würde. Doch jetztwar die Konstellation eine andere. Wenn Swerdlowsk allein in den Besitz des Passworts gelangte, schnappten die ihm womöglich die Beute vor der Nase weg.
Würde es ihm so ergehen wie dem Leiter der Nachrichtendienstfiliale in Seattle? Im Herbst 2000 war Guoanbu mit Hilfe des QAZ-Virus in das Datensystem von Microsoft eingebrochen und hatte sich Zugang zu Programmcodes der Software verschafft, die noch gar nicht auf dem Markt war. Doch die Agenten von Guoanbu in Seattle hatten die Dateien zu lange untersucht: Die Datenschutzverantwortlichen von Microsoft kamen ihnen auf die Schliche und trennten die Systeme des Unternehmens vom öffentlichen Netz. Das zögerliche Verhalten des Filialleiters hatte die Operation zunichte gemacht. Der Mann wurde in den Jemen versetzt.
Tang hatte sich geschworen, dass es ihm nicht so ergehen würde. Er wollte nicht gerade in einer Zeit auf ein Nebengleis abgeschoben werden, in der auch die letzten Hemmnisse fielen, die noch verhinderten, dass sich China wie die westlichen Länder entwickelte und Privatpersonen reich werden konnten. Die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation und die stabilen Handelsbeziehungen zur USA garantierten, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann das Wirtschaftswachstum und der zunehmende Wohlstand die Reste des Totalitarismus beseitigen würden. Der Kommunismus würde in der fünftausendjährigen geschriebenen Geschichte Chinas nur eine marginale Episode bleiben. In der Provinz Sinkiang hatten schon separatistische Unruhen begonnen.
Nach Auskunft der Technologieabteilung befand sich das Passwort, das man bei Protaschenko gefunden hatte, im Besitz der SUPO. Hatte Swerdlowsk es sich in Zürich von Holm beschafft, überlegte Tang. Es würde eine Ewigkeit dauern, bis sie eine Antwort darauf fänden.
Tang schaltete das Radio ein und hörte das Zeitzeichen, es war dreizehn Uhr, in China Radio International begannen die Nachrichten. Möglicherweise besaß Swerdlowsk das Passwort, dieses Risiko konnte er nicht eingehen. Er fluchte innerlich über seine Männer, die Protaschenkos Unterlagen oder die Angaben zur Identität des »Hundes« immer noch nicht gefunden hatten. Irgendetwas musste er tun, und zwar schnell.
Irina genoss es, als sie sah, wie Tang angesichts der hoffnungslosen Situation nahe am Verzweifeln war. Das alles würde er nie ehrenvoll überstehen. Dafür würde sie sorgen. Sie wusste, wer versucht hatte, Anna-Kaisa Holm zu ermorden, und sie wusste auch, dass Swerdlowsk das Passwort nicht besaß. Die Informationsquelle der Organisation war sie selbst, und sie kannte Igor Sterligow gut, den Mann, der dort die Verantwortung für den Fall Inferno trug. Es gab nur einen Menschen, der wusste, was Guoanbu und auch Swerdlowsk beabsichtigten, und das war sie. Irina war im Sommer 2000 vom SVR entlassen worden, gleichzeitig mit dem Chef der Nachrichtendienstfiliale des SVR in Helsinki. Igor Sterligow hatte gegen zahlreiche Dienstvorschriften verstoßen, den Tod von drei Agenten verschuldet und die Russische Föderation in eine unangenehme Lage gebracht – Finnland hatte wegen der Aktivitäten des SVR offiziell Protest eingelegt.
Allerdings wusste Irina noch nicht, wie sie an das Passwort gelangen sollte. Konnte sie es schon wagen, Kontakt zu ihrem Bruder aufzunehmen? Andrej war der Kommandeur der Bojewiki oder Kämpfer einer kriminellen Organisation aus Sankt Petersburg. Kinder einer bettelarmen Familie besaßen nicht viele Möglichkeiten, aus dem Slum herauszukommen. Irina hatte ihr Universitätsstudium finanziert, indem sie sich verkaufte, und ihr Bruder hatte sich schon als Teenager in kriminellen Kreisen herumgetrieben. Da Irina nicht mit einem eingefleischtenKriminellen gesehen werden wollte, hielten sie nicht regelmäßig Verbindung, sondern trafen sich nur selten und heimlich in Petersburg. In Andrejs Organisation fänden sich bestimmt Computerspezialisten, die fähig wären, über die Hintertür in Wiremoney einzubrechen. Es half alles nichts, sie musste abwarten, bis Guoanbu den Wettlauf mit Swerdlowsk gewann, dann wäre es für sie einfach, an das Passwort zu kommen. Die von Protaschenko beschafften Kundennummern und Kontendaten der National Bank hatte sie sich schon in der vorhergehenden Woche kopiert und auch an Sterligow geliefert.
In dem Fitnessraum war es heiß. Irina nahm den gelben Seidenschal ab, den sie von Tang bekommen hatte. In seiner Gegenwart durfte sie nur Kleider in den
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