Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Osten des Ural erhalten hatte, an deren Rand eine geheime Kernwaffeneinheit der Armee stationiert war. Zenkowski hatte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Plutonium aus dem Objekt gestohlen und sich so das Anfangskapital für sein Imperium beschafft.
Heutzutage war Swerdlowsk eine weltweit operierende kriminelle Organisation und ein Staat im Staate Russland. Sie besaß eine klare hierarchische Struktur, eine beneidenswerte technische Ausstattung, eine topausgerüstete Infanterie von der Größe der Armee eines kleinen Landes und eine Kasse ohne Boden. Auf ihren Gehaltslisten standen Juristen, Militärs, Ökonomen, Beamte der Justizverwaltung, Geschäftsleute, Journalisten und Politiker. Die verschiedenen Gruppen derFachleute und andere Helfer arbeiteten in Bereichen, die genau wie in einem Staat gegliedert waren. Es gab die Bereiche Finanzen, Technische Angelegenheiten, Juristische Fragen und Produktentwicklung, außerdem eine Aufklärungsabteilung, eine Armee und Polizei – sie alle waren eigene Institutionen innerhalb von Swerdlowsk. Plötzlich bemerkte Ketonen, dass der unterste Knopf seines Hemdes fehlte. Entweder war das Hemd eingegangen oder sein Bauch dicker geworden. Er kannte die Wahrheit und stopfte das Hemd tiefer in die Hose.
Als nächstes wollte Ketonen von Riitta Kuurma etwas über den vietnamesischen EDV-Spezialisten wissen. Sie berichtete, Anna-Kaisa habe nach dem Verhör der Inferno-Verantwortlichen herausgefunden, dass Bui Truong, ein vietnamesischer Topfachmann auf dem Gebiet der Verschlüsselungstechnik, der an der Technischen Hochschule Helsinki arbeitete, den Auslandsnachrichtendienst von Guoanbu unterstützte. Die SUPO hatte am Vormittag in der Wohnung des Mannes etliche Unterlagen fotografiert, die eine Verbindung zu Inferno und zu Guoanbu bestätigten. Um aber die Unterlagen genau durchzugehen, würden Ratamos Sprachkenntnisse gebraucht. Niemand hatte eine Ahnung, wo sich Truong aufhielt.
Ketonen überlegte, ob die Tatsache, dass dieser Bui Truong plötzlich eine Rolle spielte, ein Täuschungsmanöver war, das von Ratamo ablenken sollte. Der Chef befahl Wrede, die Überwachung von Swerdlowsk und Guoanbu zu organisieren und zu klären, was sie in den letzten Wochen getrieben hatten.
Jetzt platzte Wrede der Kragen. Mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen wäre er nicht imstande, die Inferno-Verantwortlichen, einen effizienten Auslandsnachrichtendienst und eine riesige kriminelle Organisation zu überwachen, schimpfte er. Um eine Person in die »Box« zu stecken und rund um die Uhr vollständig technisch zu überwachen, brauche manzwei Gruppen von jeweils vier Ermittlern, die in Schichten von zwölf Stunden arbeiteten. Zwei beschatteten die Person, zwei überwachten den Datenverkehr, zwei hörten das Telefon ab und zwei kümmerten sich um die Videoüberwachung. Er wäre gezwungen, von der Polizei zusätzliche Kräfte für einfache Beschattungsaufgaben auszuleihen. Und auch Anna-Kaisa habe die Zentrale für Informationsmanagement der Polizei schon um Hilfe bitten müssen, wetterte er. Die Amtshilfe innerhalb der Polizei koste aber auch Geld. »Da kann man nur hoffen, dass der Schuldige schnell gefunden wird. Sonst wird es schwer, so eine Geldverschwendung zu begründen«, sagte er zum Schluss. Es wurmte ihn, dass er der Einzige war, der den Mut hatte, Ketonen gegenüber den Mangel an Ressourcen zu beanstanden. Die Autorität des Chefs war allzu unerschütterlich.
Ketonen betrachtete Wrede ungehalten und zählte innerlich bis drei. Er mochte Leute nicht, die sich beklagten. Es war nicht seine Schuld, dass der SUPO zu wenig Mittel gewährt wurden. Er wusste, dass Wrede recht hatte, aber der Eifer, mit dem der Schotte ständig die Zustände kritisierte, ging ihm allmählich auf die Nerven. Er hatte Wrede als seinen Nachfolger vorgesehen, aber die Fähigkeit des Mannes, Stress auszuhalten, müsste noch getestet werden. »Mach auch eine Zusammenfassung über den Mordversuch an Anna-Kaisa, sobald du ausreichend Informationen aus der Schweiz erhalten hast. Vorher kannst du ihren Hintergrund durchforsten. Und ihre finanzielle Lage klären.«
Wrede stöhnte demonstrativ und fuhr sich so heftig durch die rote Mähne, dass die Schuppen rieselten. Ketonen hatte die Hände unter die Hosenträger geschoben und starrte ihn an wie eine Statue. Wrede wurde klar, dass der Chef ihm zeigen wollte, wo der Hammer hing. Diese Menge an Arbeit, die man ihm gerade aufgebürdet hatte, konnte er nicht
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