Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
ganzen Ermittlungen gefährdeten? Vielleicht hatte die Frau den Mut, Entscheidungen zu treffen.
Das Fenster auf der Beifahrerseite des Saab ging auf, und sein Fahrer schwenkte den Hörer des Autotelefons in der Hand. Ketonen warf den Kaugummi an einen kahlen Baum, zwängte sich auf den Rücksitz und nahm den Hörer.
»Hier Erik. Es ist etwas sehr Schlimmes passiert. Man hat in Zürich versucht, Anna-Kaisa zu ermorden«, sagte Wrede leise. Er wagte es, am Telefon zu reden, weil er aus der Überwachungszentrale der SUPO anrief. Deren Telefonleitungen konnte man nicht abhören, und in Ketonens Wagen war eine kleine Verschlüsselungseinheit eingebaut.
»Was zum Teufel hat sie dort gemacht? Ist sie … in Ordnung?«, fragte Ketonen und räusperte sich.
Als das bejaht wurde, schwieg er einen Augenblick. Dann murmelte er etwas Unverständliches, sagte, er sei in zehn Minuten in der Ratakatu und klopfte seinem Fahrer auf die Schulter. Die Einzelheiten wollte er im Büro hören.
»Warte!«, rief Wrede, bevor er auflegen konnte. »Anna-Kaisa hat gestern herausgefunden, dass an der Technischen Hochschule ein vietnamesischer Verschlüsselungsspezialist arbeitet. Er ist in den Fall Inferno verwickelt, und er hat Verbindungen zur chinesischen Botschaft.«
Ketonen sagte, er habe verstanden, und beendete das Gespräch. Der Stress packte ihn, und der Appetit auf eine Zigarette. Er fühlte sich so angespannt wie ein Stahlseil, das ein Gewicht von einer Tonne trug. Hatte Guoanbu Inferno bei Protaschenko bestellt?
Die Flügel des hohen Metalltors im Hof des Außenministeriums öffneten sich, und sein Fahrer beschleunigte den Wagen in Richtung Laivastokatu. Vier Eisbrecher warteten dort in Doppelreihe auf Einsätze. Bei drei von ihnen sah Ketonen die Namen: Voima, Otso und Sisu.
Jemand hatte versucht, eine seiner Mitarbeiterinnen zuermorden. Was zum Teufel war mit ihr passiert? Der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirn. Anna-Kaisa war für ihn wie eine Tochter. Was um Himmels willen suchte sie in Zürich? Irgendein Mann, natürlich! Ketonen wurde klar, dass er von den Privatangelegenheiten seiner Mitarbeiter nichts wusste
Man hatte versucht, eine Ermittlerin der SUPO umzubringen. Jetzt musste er sich zusammenreißen und alles tun, was erforderlich war, um den Verräter zu finden, beschloss Ketonen und versank in Gedanken.
Musti begrüßte ihr Herrchen freudig an der Tür. Ketonen warf Mantel und Mütze auf das Sofa und ging in Richtung Beratungsraum, wo Wrede und Riitta Kuurma ihn bereits erwarteten.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte Ketonen schon an der Tür.
Wredes sommersprossiges Gesicht war noch blasser als sonst. »Eine finnische Frau wurde am Vormittag in einem Züricher Restaurant vergiftet. Dem Rettungsarzt gelang es, sie wiederzubeleben. Sie befindet sich jetzt im Universitätsspital von Zürich. Die Kantonspolizei hat der Zentrale unserer Kriminalpolizei die Angaben im Pass und das Foto der Frau übermittelt. Anna Tohkeinen ist ein Deckname in einem unserer Pässe. Das Foto hat bestätigt, dass es sich bei der Frau um Anna-Kaisa handelt. Und das Gift war nach dem vorläufigen Bericht der Kantonspolizei Fentanyl.«
Es herrschte absolutes Schweigen. Die drei vermieden es, sich anzuschauen.
»Kann Anna-Kaisa schon sprechen?«, fragte Ketonen schließlich.
»Nach Ansicht der Ärzte erst morgen. Wir haben gedacht, dass du ihre Eltern anrufen willst«, sagte Wrede leise.
Das war ein Tag, an dem Ketonen eine andere Arbeit lieber gewesen wäre. Er sammelte sich einen Augenblick. »Fentanyl ist die Visitenkarte von Swerdlowsk«, sagte er wie zu sich selbst, und der Zorn war ihm anzusehen. »Stecken also die Leute von Swerdlowsk hinter dem Mord an Protaschenko?« Einen Augenblick überlegte Ketonen, ob es eine Fehleinschätzung gewesen war, Holm als Chefin der Abteilung für Informationsmanagement einzusetzen? Könnte es sein, dass Anna-Kaisa in den Fall Inferno verwickelt war? Nein. Sie hätte sich die Inferno-Daten auf keinen Fall verschaffen können, und sie war auch nicht in Miami, als die Unterlagen von DataNorth übergeben wurden.
»Worauf hat sich Swerdlowsk spezialisiert?«, fragte Riitta Kuurma gedämpft.
»Auf alles Legale und Illegale. Sie kaufen, verkaufen, tauschen, stehlen und vermieten«, erwiderte Ketonen schroff. »Und sie erpressen, verkuppeln und morden.« Dann berichtete er schon etwas ruhiger, dass die kriminelle Organisation von Wadim Zenkowski alias Orel ihren Namen von einer Stadt im
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