Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Farben der Freude tragen: Rot, Gelb und Rosa. Sie hasste diesen gelben Fetzen, er machte sie alt. Zum Glück sah es niemand.
Tang war klar, dass die Zeit knapp wurde. Wenn die russische Mafia das Passwort an sich gebracht hatte, könnte sie jeden Moment die Konten der National Bank leer räumen. Was sollte er tun? Ein Angriff auf Swerdlowsk wäre eine Kriegserklärung, zu der er noch nicht bereit war. Und er wusste ja nicht einmal mit Sicherheit, ob die Russen das Passwort besaßen. Den »Hund« konnte er nicht finden, solange dessen Identität nicht geklärt war. Und auch ein Einbruch bei der SUPO wäre ausgeschlossen. Wenn man sie dabei in der Ratakatu erwischte, würde das einen diplomatischen Konflikt auf internationaler Ebene und das Ende seiner Laufbahn bedeuten. Außerdem hätte er dann noch auf Verstärkung warten müssen.
Eine Alternative wirkte verlockend, aber zu seinem Ärger setzte sie voraus, dass er auch auf finnischem Boden zu harten Mitteln greifen müsste. Er war jedoch schon an den Grenzen seiner Vollmachten gewesen, als er bei seinen Kollegen der Filiale in Miami die Liquidierung von Sam Waisanen in Auftraggegeben hatte. Doch dazu war er gezwungen gewesen: Der Amerikafinne wusste zu viel.
Tang war klar geworden, von wem er das Passwort bekommen würde: Der »Hund« hatte es Protaschenko gegenüber erwähnt. Wäre er imstande, die Operation selbst zu organisieren?
20
Ketonen drückte die Haupteingangstür des Außenministeriums mit aller Kraft auf und wäre auf dem Asphalt im großen abgeschlossenen Innenhof der Merikasarmi fast ausgerutscht. In Katajanokka fing es an zu schneien, und seine Gummigaloschen waren jetzt gefährlich glatt. Ihnen hatte er es jedoch zu verdanken, dass er seine Lieblingsschuhe im Sommer und im Winter tragen konnte. Er steckte sich zwei Kaugummis in den Mund und mahlte mit seinen Kiefern wie eine wiederkäuende Kuh. Es war schon nach ein Uhr. Sein Fahrer wartete zehn Meter entfernt im schwarzen Saab 9000 CD. Ketonen wollte jedoch nach der Tortur, die er gerade überstanden hatte, frische Luft schnappen, obwohl ihm der feuchte Schnee ins Gesicht rieselte. Er zog sich die Pelzmütze tiefer in die Stirn, band den Schal fester und schlug den Kragen seines Wintermantels hoch.
Der Chef der SUPO war wütend auf sich selbst. Dem Abteilungsleiter für Polizei im Ministerium von dem Fall Inferno zu berichten war ein Fehler gewesen. Korpivaara hatte, ohne das mit ihm abzusprechen, den Innenminister unterrichtet, der sofort den Ministerpräsidenten angerufen hatte. Auf dessen Anordnung sollten sich der Innen-, der Außen- und der Verteidigungsminister sowie der Abteilungsleiter für Polizei mit dem Fall befassen. Das Quartett hatte ihn gerade knapp drei Stunden lang mit Fragen bombardiert, von denen eine dümmerals die andere war. Dieser Braintrust fürchtete, dass die finnische Volkswirtschaft in Gefahr geriet, wenn Informationen durchsickerten und die Medien Wind von dem Fall Inferno bekämen.
Nach Auffassung des Verteidigungsministers war die Verteidigungsfähigkeit Finnlands bedroht, wenn man sich nicht auf die Verschlüsselungsprogramme verlassen konnte. Fast alle lebenswichtigen Dateien der Streitkräfte für den Ausnahmezustand und die Landesverteidigung waren in die EDV-Netze eingegeben worden. Wenn sie vernichtet oder geknackt würden, wäre die Armee lahmgelegt. Der Mann hatte ihm wie einem Anfänger eine Predigt über die Risiken der elektronischen Spionage und die Verwundbarkeit der Informationsgesellschaft gehalten. Vorschläge für Maßnahmen hatte das Quartett allerdings wohlweislich nicht gemacht.
Ketonen kaute noch wütender auf seiner Nicorette herum. Er wusste genau, wie solche Blödmänner an die Macht gelangten – mit einem Parteibuch der richtigen Farbe. Die Politiker mit ihrem Geiz trugen die Schuld daran, dass der Datenschutzstandard des finnischen Staates und der Streitkräfte niedriger war als in den meisten westlichen Ländern und selbst in den finnischen Datenschutzfirmen. Die wichtigsten Datensysteme des Staates konnten so lange von Topcrackern geknackt und außer Kraft gesetzt werden, bis bei der SUPO und der Nationalen Telekommunikationsbehörde für den landesweiten Datenschutz verantwortliche CERT-Einheiten gebildet würden, das hieß Einsatzkommandos für den Kampf gegen Datenschutzverletzungen, Viren und Netzterrorismus.
Sollte er die Präsidentin anrufen, bevor sich die Politiker in den Fall einmischten und mit ihrer Pfuscherei die
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