Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
ehrenvoll bewältigen.
»Warum ist übrigens Arto nicht hier?«, fragte Riitta Kuurma.
Ketonen beschloss, sie über seinen Verdacht zu informieren, allerdings in gefilterter Form. Es gebe schon so viele merkwürdige Zusammentreffen, dass man Ratamo vorläufig mit Vorbehalt gegenüberstehen müsse, sagte er ganz ruhig. Dass Ratamos Treffen mit Aalto an diesem Abend abgehört werden würde und dass man auf der Jagd nach einer Handschriftenprobe Ratamos in Vietnamesisch war, erwähnte er nicht. Riitta Kuurma glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Ratamo wurde wie ein Krimineller behandelt. Und sie durfte es ihm wieder nicht sagen. Gerade als ihre Freundschaft neu auflebte, musste sie sein Vertrauen wieder enttäuschen.
Der Chef fragte, ob man schon neue Informationen über die Inferno-Verantwortlichen erhalten habe.
Die Unternehmen hätten eingewilligt, ihre Angestellten auszuspionieren, und auch die letzten Überwachungsvorrichtungen seien nun installiert worden, berichtete Riitta Kuurma. Bei Finn Security und SH-Secure besaß die operative Leitung über die Hälfte der Firmenaktien, die das Bestimmungsrecht beinhalteten, somit war es einfach gewesen, diese Entscheidungen zu treffen. Das Eigentum an DataNorth hingegen sei so aufgeteilt, dass der Generaldirektor den Vorstand hatte einberufen müssen.
Ketonen unterbrach sie: »Die Vorstandsmitglieder werden doch wohl dichthalten?«
»DataNorth ist erledigt, wenn auf dem Markt das Gerücht durchsickert, dass in die Dateien des Unternehmens eingebrochen worden ist. Die meisten Datendiebstähle auf der Welt werden gerade aus diesem Grunde totgeschwiegen. Die Vorstandsmitglieder wissen das. Sie haben einstimmig beschlossen, keine Börseninformation über den Dateneinbruch herauszugeben, die gestohlenen Unterlagen befinden sich ja jetztim Besitz der SUPO«, antwortete Riitta Kuurma und fuhr in ihrer Zusammenfassung fort. Der geschäftsführende Direktor von SH-Secure habe versprochen, der SUPO eine Kopie des Vertrages über den Kauf von Aaltos Firma zu faxen. Der Vertrag enthalte keine Geheimhaltungsklausel.
Ketonen schien zufrieden zu sein. Er befahl ihr, Mikko Piirala von der Abteilung für Informationsmanagement mit dem Fall vertraut zu machen.
Das Alibi Aaltos für den Zeitpunkt des Mordes an Protaschenko sei noch nicht bestätigt worden, berichtete Wrede. Der Programmierungsingenieur der Repräsentanz von SH-Secure in Miami befand sich im Urlaub in Kanada. Ryan Draper war ein leidenschaftlicher Wanderer und Kanufahrer, und in der Wildnis von Manitoba gab es kein Mobilfunknetz. Nach Ansicht seiner Kollegen schaute Draper jedoch von Zeit zu Zeit in sein E-Mail-Fach, so dass man ihn bald erreichen würde.
»Na toll, das passiert ja genau zum richtigen Zeitpunkt«, brummte Ketonen und bombardierte dann Wrede und Kuurma mit Fragen, er wollte genau wissen, was Anna-Kaisa Holm am Vortag getan hatte. Als alle Informationen besprochen waren, befahl Ketonen Wrede, ständig Kontakt zur Polizei in Zürich zu halten. Zum Schluss verkündete er, dass er Ratamo bitten werde, sich mit den Unterlagen zu beschäftigen, die man in Bui Truongs Wohnung fotografiert hatte. »Das Tempo bei diesen Ermittlungen ändert sich jetzt. Niemand ruht sich aus, solange nicht geklärt ist, wer versucht hat, Anna-Kaisa zu ermorden. Meine Mitarbeiter bringt man nicht um.«
Ketonen hatte Angst. Was sollte er den Eltern von Anna-Kaisa Holm sagen?
21
Das grelle Licht blendete. Alles sah weiß und sauber aus. Diese Frau dort war jedoch kein Engel, im Himmel trug man wohl kaum Namensschilder. Sie lebte also noch. Die Frau redete anscheinend mit ihr, aber sie hörte nur ein regelmäßig wiederkehrendes Piepen. Der Geruch erinnerte an die Schwimmhalle im Itäkeskus. Ihre Augenlider waren tausend Kilo schwer und ließen sich nicht offenhalten, so sehr sie sich auch bemühte. Sie fielen wieder zu.
»Guten Morgen.«
Es dauerte eine Weile, bis Anna-Kaisa Holm begriff, dass sie wach war. Eine junge Schwester befestigte einen Plastikbeutel mit einer Flüssigkeit an dem Ständer neben ihrem Bett. Dann drückte die Frau einen Knopf an der Seite des Bettes. Holm verstand von dem, was die lächelnde Schwester in flüssigem Deutsch sagte, nur zwei, drei Wörter.
Das Piepen ging ihr auf die Nerven. In der Armbeuge schmerzte es, als sie versuchte, durch ihre Haare zu fahren. Ihr wurde klar, dass sie am Tropf hing und verkabelt war. Dann betastete sie ihr Gesicht und fühlte mit den Fingerspitzen da und
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