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Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Titel: Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Gedanken auf, verfolgte die Beisetzungsfeier weiter und sah, wie seine Tante zum Altar schritt, um die Gedenkrede zu halten. Eine Erinnerung aus seiner Jugend kam ihm in den Sinn. Mit dreizehn war er von Tante Leenas gegorenem Sima das erste Mal in seinem Leben betrunken gewesen.
    Die Tante hielt eine sehr schöne Rede, alle waren gerührt, und das anschließende Oboenkonzert von Marcello verstärkte diese Empfindungen noch. Ratamo war verlegen, als um ihn herum geweint wurde. Er starrte auf die Urne mit der Asche und dachte, dass bald auch von ihm nichts weiter übrigbleiben würde als ein Häufchen Staub. In hundert Jahren würde mansich nicht einmal mehr daran erinnern, dass er gelebt hatte. Er kam sich vor wie ein Idiot, weil er das Leben manchmal so ernst nahm.
    Als die Kränze niedergelegt wurden, musste Ratamo die Tränen unterdrücken, und am Ende der Einsegnung schluchzten viele hörbar. Er war erleichtert, als die Feier zu Ende ging. Ihn überkam ein erdrückendes Gefühl der Leere. Seine Oma war die einzige Verwandte gewesen, zu der er ein enges Verhältnis besaß. Als Kind hatte er die meisten Feiertage und Sommerferien bei ihr in Munkkiniemi oder in der Sommerhütte in Inkoo verbracht und erleben dürfen, wie ein richtiges Familienleben aussah.
    Die Gedenkfeier fand in Munkkiniemi statt. Ratamo und Nelli trafen mit als erste im Gemeindehaus ein, und Ratamo beeilte sich, Marketta anzurufen. Er bat sie, auf Nelli aufzupassen. Das erste Mal war Marketta ungehalten und sagte, er müsse lernen, ihr rechtzeitig mitzuteilen, wann sie das Kinderhüten übernehmen solle.
    Vater und Tochter gingen herum und gaben Bekannten und Verwandten die Hand, holten sich ein Stück vom Sandwichkuchen und etwas zu trinken und setzten sich dann an den Tisch von Ratamos Cousinen. Die Mitglieder der kleinen Familie trafen sich selten, es gab also genug zu erzählen. Ratamos Lebenssituation und die Ereignisse von vor zwei Jahren fanden großes Interesse.
    Die Trauergäste verstummten, als aus den Lautsprechern der Trauermarsch »Peltoniemen Hintriikka« erklang, den sich die Oma gewünscht hatte. Ratamo konnte sich nicht entsinnen, jemals eine schönere Melodie gehört zu haben.
    Nach drei Stücken von der Sandwichtorte, dem Verlesen der Kondolenzschreiben und zwei Kirchenliedern verabschiedete sich Ratamo von den Verwandten und ging in Richtung Flur.Er half Nelli in ihren Mantel, als plötzlich sein Vater vor ihnen auftauchte.
    »Grüß dich, Arto. Willst du deinem alten Vater nicht guten Tag sagen?«
    »Wieso sollten wir jetzt plötzlich etwas zu besprechen haben?«, erwiderte Ratamo barsch.
    »Schließlich könntest du wenigstens etwas dankbar sein für all das, was du von mir bekommen hast«, entgegnete Tapani Ratamo entrüstet.
    Ratamo spürte, wie seine Selbstbeherrschung zerbröckelte. Der Groll, der sich über Jahre angestaut hatte, brach nun aus ihm hervor. »Ich habe von dir verdammt schlechte Erinnerungen, Geld und eine goldene Armbanduhr bekommen. Erinnerungen kann man nicht zurückgeben, und Geld habe ich nicht im Überfluss, aber die Uhr kannst du haben!«, zischte er, griff nach dem Arm seines Vaters und drückte ihm seine Uhr in die Hand.
    Tapani Ratamo starrte die goldene Uhr verdutzt an. Auf der Rückseite waren zwei Wörter eingraviert: »Arto Ratamo«.
    Er erinnerte sich dunkel, dem Jungen die Uhr gegeben zu haben, als die Mutter gestorben war.

38
     
    Die Rushhour von Manhattan, der Lärm und die Größe der gläsernen Wolkenkratzer in der Park Avenue bedeuteten Stress für Jeff Murray, der an die Ruhe von Maryland gewöhnt war. Er fluchte, als ein Auto durch eine Pfütze raste und seine Hosen bespritzte. Schon eine Ewigkeit stand er vor dem Hauptgebäude der National Bank und hielt Ausschau nach einem Taxi. Eine erschöpfte Pennerin schob ihren randvollgepacktenEinkaufswagen über Murrays Schuh hinweg. Er rümpfte die Nase, als ihm der Gestank der Beutel-Alma in die Nase stieg. Warum streifte eine Obdachlose durch das Bankviertel von Manhattan? Plötzlich entdeckte er ein freies gelbes Taxi und winkte mit beiden Händen. Endlich weg aus dem Regen.
    Der Fahrer war ein Ausländer. Er murmelte irgendetwas, als Murray ihn bat, zum Flughafen La Guardia zu fahren. Murray zog seinen nassen Mantel aus und strich sich das Wasser aus den gelockten Haaren. Die Reise war umsonst gewesen, und das ärgerte ihn. Er hatte viele ehemalige Kollegen Sam Waisanens gebeten, an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, und ihnen damit

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