Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
den Samstag verdorben. Die Gespräche hatten nichts Interessantes ergeben; Waisanens Verhalten war vor der Datensicherheitskonferenz von Miami ganz normal gewesen.
Murray steckte in einer Sackgasse. Waisanens zerquetschter Wagen war aus dem Meer gehoben worden. Außer einer Tasche mit ein paar Kleidungsstücken und einem kaputten Computer wurde nichts gefunden. Waisanens Kinder und seine Ex-Frau hatten von dem Mann wochenlang nichts gehört. Es ließ sich nichts ausfindig machen, was Waisanen oder die National Bank mit dem Fall Inferno in Verbindung gebracht hätte. So konnte er Waisanens Vorgesetzten nur auffordern, in der nächsten Zeit außerordentlich vorsichtig zu sein. Allmählich hatte er schon den Verdacht, dass es doch nur ein Unfall gewesen war.
Das Taxi fuhr am Hauptgebäude der UNO vorbei und näherte sich der Queensboro-Bridge. Murray hatte keine Lust zu fragen, warum der Fahrer nicht den Midtown-Tunnel benutzte; er hatte es nicht eilig. Vorläufig würde er Waisanen und den mysteriösen Fahrer des LKW vergessen und sich auf die Ereignisse in Finnland konzentrieren.
Früh hatte ihn der Chef der finnischen Sicherheitspolizei angerufen und um die Hilfe der NSA bei der Aufklärung desFalls gebeten. Die Finnen waren bei ihren Ermittlungen nicht weitergekommen, obwohl er ihnen den Hinweis auf den »Hund« gegeben hatte. Das überraschte ihn nicht. Die finanziellen und personellen Mittel der Geheimdienste kleiner Staaten betrugen einen Bruchteil dessen, was der NSA zur Verfügung stand, ganz zu schweigen von der gesamten Aufklärungskapazität der Vereinigten Staaten. Die NSA hatte jedoch gute Erfahrungen mit den Finnen gemacht. In den achtziger Jahren hatte die SUPO verhindert, dass sich die Sowjetunion westliche Spitzentechnologie aus finnischen Firmen beschaffte. Deshalb hatte man gewagt, den Finnen ständig neueste Technologie zu liefern. Die Sicherheitspolizei hatte also entscheidend dazu beigetragen, dass sich Finnland zu einem Vorreiter auf dem Gebiet der Informationstechnologie entwickelte.
Der Datenverräter mit dem Decknamen »Hund« war gewieft. Er verstand es, die elektronische Übermittlung solcher Informationen zu vermeiden, die seine Identität oder das Ziel des Raubs enthüllt hätten. Die NSA hatte sogar versucht, die Heimcomputer der Inferno-Verantwortlichen auszuspionieren. Elektrischer Strom erzeugte immer ein Magnetfeld, und Computer ein besonders starkes. Die ausgesandten digitalen Impulse konnte man mit einer Richtantenne auffangen; ein Fernsehmonitor zeigte dann an, was auf dem Computer geschrieben wurde. Zu ihrer Enttäuschung war die elektromagnetische Strahlung der Computer aller Inferno-Verantwortlichen nach dem Tempest-Standard verringert worden und konnte nicht aufgefangen werden.
Die Männer von der NSA wussten jedoch von dem »Hund« mehr als ihre finnischen Kollegen. Sie hatten gehört, wie Protaschenko seiner Frau am Telefon erzählte, warum die finnische Kontaktperson diesen Decknamen gewählt hatte. DieErklärung war amüsant. In der Regel hatte Protaschenko bei seinen Anrufen nach Moskau einen Mischer verwendet, diese Vorsichtsmaßnahme aber irgendwann in betrunkenem Zustand vergessen. Leider hatte der Mann nur selten getrunken. Das Inferno-Problem ließe sich leichter lösen, wenn die NSA die Möglichkeit gehabt hätte, mit den Finnen zusammenzuarbeiten. Sie konnte der Sicherheitspolizei jedoch nicht offen helfen. Man wollte nicht das Risiko eingehen, dass China von einer gegen Guoanbu gerichteten Zusammenarbeit Wind bekam. Die empfindliche Balance der Beziehungen zwischen den USA und China durfte nicht gestört werden. Der Befehl kam von ganz oben. Murray hielt diese Entscheidung für richtig: Die NSA konnte nicht der offizielle Kontrolleur der ganzen Welt sein. Wenn bekannt würde, dass sie die Finnen unterstützten, würden bald auch alle anderen Länder um ihre Hilfe betteln.
Die NSA hatte zwei Möglichkeiten: Sie konnte der SUPO helfen, den »Hund« zu fassen, oder ihn selbst suchen und die Bedrohung eliminieren. Die oberste Führung der NSA hatte sich in dieser Phase für eine gewaltfreie Lösung und die Achtung der territorialen Integrität Finnlands entschieden.
Zum Glück konnte die NSA der Sicherheitspolizei Hinweise so zukommen lassen, dass niemand imstande wäre herauszufinden, woher die Informationen stammten. Es sollte so aussehen, als hätten die Finnen das Inferno-Problem selbst gelöst.
Plötzlich blieb das Taxi stehen, und Murray schreckte aus
Weitere Kostenlose Bücher