Finnisches Quartett
fliegen.«
Er betrachtete Bruijn abschätzend ein paar Sekunden lang und wandte sich dann Katje de Groot zu. »Kläre, ob Ulrike Berger bereit ist, nach Washington zu reisen und bei der Suche nach O’Donnell zu helfen.«
41
Riitta Kuurma stand, die Hände in die Hüften gestützt, auf dem winzigen Vorhof des dreigeschossigen dunkelbraunen Gebäudes der Europol, als Ratamos Taxi vor ihr auf dem Raamweg anhielt, der zwischen dem Europol-Hauptquartier und dem Kanal lag.
»Das sieht ja aus wie ein englisches Internat«, rief Ratamo beim Aussteigen. Er warf seinen Priem unbemerkt auf den Rasen und blieb stehen, um die beleuchtete, mit Efeu bedeckte Fassade, die Gitterfenster sowie die millimetergenau beschnittenen Sträucher zu betrachten. Riitta hatte versprochen, ihm das Hauptquartier von Europol zu zeigen, obwohl es schon um neun war. Er ärgerte sich fast, daß er keine Kamera besaß. Doch irgendwann in seiner Jugend hatte er beschlossen, seine alten Tage nicht mit Erinnerungen an die Vergangenheit zu verbringen.
»Wie konnte die Fahrt vom AIVD hierher so lange dauern?« fragte Riitta mit säuerlicher Miene und ging voran.
Die Frau wirkte starr wie Lots Weib; Ratamo hatte den Verdacht, daß auch Riitta die Ereignisse des Nachmittags bereute. »Ich habe mir hier in der Nähe das Hauptgebäude von Dutch Oil angesehen. Kein leichtes Objekt für einen Terroranschlag, zwischen den Kanal und einen Park gebaut und genau bewacht.« Er stellte erst jetzt fest, daß sich Riitta nicht mehr so hippiemäßig kleidete wie in den Zeiten bei der SUPO.
»Fangen wir dann sofort an, wenn wir noch essen gehen wollen?« sagte Riitta.
Ratamo nickte. Er bereute es, daß er dieses Treffen vorgeschlagen hatte, sie benahmen sich beide genauso verlegen wie Teenager beim ersten Date.
Einen Meter vor dem Eingang von Europol klingelte Ratamos Handy. Henk Timmerman klang ungeduldig: »Hastdu in den letzten Minuten mit Lasse Nordman gesprochen?«
»Vor einer Weile im Taxi. Ich war etwas überrascht, daß Nordman Ulrike Bergers Reise nach Washington für eine gute Idee hielt. Eben noch hat er sich doch gefreut, daß er die Frau lebendig zurückbekommen hat. Nordman wollte allerdings Garantien dafür, daß Berger in Washington geschützt wird …«
Timmerman unterbrach ihn gereizt: »Die Lage hat sich inzwischen etwas verändert. Auch Lasse Nordman hat ein Ticket für einen Flug nach Washington gebucht. Das Überwachungssystem hat natürlich sofort Alarm ausgelöst, als es Nordmans Namen im Passagierverzeichnis fand, und man hat Kontakt zu uns aufgenommen. Jetzt weigert sich Ulrike Berger, ohne ihn nach Washington zu fliegen. Vom Standpunkt der Ermittlungen …«
Ratamos finnische Flüche unterbrachen Timmerman. Nordman hatte ihn dreist angelogen.
»… also vom Standpunkt der Ermittlungen wäre es wichtig«, fuhr Timmerman fort, »daß Ulrike Berger nach Washington fliegt, deshalb haben wir mit den Amerikanern vereinbart, daß wir Lasse Nordman reisen lassen. Ich dachte nur, daß du das wissen willst. Solltest du nicht auf Nordman aufpassen?«
Ratamo brauchte nicht lange zu überlegen. Man hatte ihm den Befehl erteilt, Lasse Nordman zu beschützen. Timmerman versprach, Ratamo ein Ticket für den gleichen Flug zu buchen, und dann wurde das Gespräch beendet.
»Was ist jetzt los?« Riitta sah besorgt aus.
»Sorry, aber ich muß als Kindermädchen von Lasse Nordman nach Washington fliegen. Lieber würde ich eine Woche lang mit einem Penner in der Straßenbahn sitzen«, fügte Ratamo hinzu, um die Stimmung aufzulockern. Ermußte jetzt sofort Ketonen anrufen, denn er brauchte die Genehmigung für die Reise nach Amerika. »Wir sehen uns dann spätestens nach dem Urlaub, wenn du also nach Finnland zurückkommst.« Ratamo bereute seine kühlen Abschiedsworte, als sie noch in der Luft hingen, und drückte seiner ehemaligen Lebensgefährtin einen Kuß auf die Wange. Riitta wirkte nun noch irritierter und auch beleidigt. Ratamo fluchte, daß er nicht fähig gewesen war, die Situation besser zu meistern, aber ihm gingen jetzt einfach zu viele Dinge durch den Kopf.
Bis zum Hotel war es weniger als ein Kilometer, also beschloß er zu laufen und ging auf den Raamweg in Richtung Bahnhof. Er schlug den Kragen seiner Jeansjacke hoch, der Abend hatte die Kälte mitgebracht. Sein Telefon klingelte, gerade als er Ketonen anrufen wollte.
Ratamo holte seinen Paß aus der Brieftasche, las der frohgelaunten Angestellten der Fluggesellschaft die Nummer vor
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