Finnisches Quartett
machte ihn wütend, daß sich der Zufall eingemischt hatte, als alles erst am Beginn stand. Final Action durfte nicht zerfallen: Es war die einzige Ökoterrororganisation, die mit militärischer Präzision vorging. Earth First wollte die Erde mit unrealistischen Mitteln schützen, durch eine radikale Verringerung der Anzahl der Menschen. Die Earth Liberation Front hingegen sabotierte Unternehmen, die vor allem die Umwelt zerstörten, brachte aber keine Veränderungen zustande. Ecotage zerstörte mit Anschlägen Produktionsbetriebe der Kapitalisten und vertrieb sie aus ökologisch bedrohten Regionen, ohne zu begreifen, daß die Unternehmen dann nur neue Fabriken in anderen, genauso empfindlichen Regionen errichteten.Allen Organisationen fehlte es an der heiligen Dreieinigkeit von Taktik, Strategie und Ziel.
Nur bei Final Action war das anders: Die Organisation würde die Weltöffentlichkeit mit einzelnen Terroranschlägen auf die schlimmsten kriminellen Unternehmen aufmerksam machen und die Unternehmen zwingen, aus Angst vor neuen Anschlägen und den Reaktionen der Öffentlichkeit ihre Vorgehensweise zu ändern. Final Action würde die Ausnutzung der Umwelt und der Menschen beenden. Taktik, Strategie und Ziel.
Seine Nachbarin, eine Rentnerin, begann ihre tägliche Klimperei auf dem Klavier, so daß Lasse aus seinen Gedanken aufschreckte. In dem Poststapel fand er nur Werbung, Rechnungen und Pizzeria-Speisekarten. Wenn Seraphim eine Nachricht geschickt hatte, dann wartete sie in Lauttasaari auf ihn. Lasse ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen – Seraphim. Einen anderen Namen seines Wohltäters kannte er nicht, und Seraphim war auch nur der erste Teil seiner E-Mail-Adresse.
Er trat ans Fenster zur Minervankatu, beobachtete die Straße eine Weile und tippte, daß die SUPO-Leute in dem weißen Passat saßen. Dann ging er in die Küche, öffnete das Fenster und steckte den Kopf hinaus. Auf dem Innenhof war niemand zu sehen, aber irgendwo lauerten sie. Der Wind wurde heftiger und kündigte Regen an, es war etwas kühler als in Holland.
Lasse fuhr in die Segeltuchschuhe, trat hinaus auf die Apollonkatu und ging langsam bergab zur Straßenbahnhaltestelle an der Runeberginkatu. Der weiße Passat folgte ihm, er hatte richtig getippt. Wenn er jetzt versuchte abzutauchen und dabei scheiterte, würde die SUPO die Beschattung so intensivieren, daß er es ein zweites Mal gar nicht erst zu versuchen brauchte. Die halbleere Straßenbahn kam angerattert, und Lasse stieg hinten ein.
Als die 3 B quietschend vor dem Glaspalast im Zentrum hielt, verließ Lasse die Bahn und überlegte fieberhaft, wo er verschwinden könnte. Da, wo es viele Menschen gab und viele Ausgänge. Er müßte schnell abtauchen und rasch weit weg sein, weil die SUPO sofort Verstärkung rufen würde, wenn sie ihn verloren hatte.
Lasse ging in aller Ruhe am Restaurant Sokos vorbei und hielt vergeblich Ausschau nach den SUPO-Leuten. Vor dem Bahnhof blieb er einen Augenblick stehen, beobachtete das Menschengewimmel und faßte einen Entschluß. Er zog die schwere Eingangstür auf, ging hinein, wartete, bis die Tür zu war, und rannte los. Die Schritte seiner Verfolger waren hinter ihm zu hören, als er die Treppe zum Bahnhofstunnel hinunterhastete. Der hatte mindestens ein Dutzend Ausgänge, die konnte die Polizei auf keinen Fall alle in so kurzer Zeit besetzen.
Die Entgegenkommenden machten Platz für den in vollem Tempo rennenden großen, breitschultrigen Mann. Lasse sprintete an dem Lebensmittelladen vorbei, bog rechts ab, passierte den S-Market, wählte dann den Tunnel, der nach links führte, und verlangsamte sein Tempo erst, als er im Kellergeschoß des Forum dazu gezwungen wurde, denn dort herrschte zur Mittagszeit Hochbetrieb. Niemand folgte ihm. Er fuhr mit dem Aufzug zum Kukontori hinauf und rannte in Richtung Ruoholahti, in den Metrostationen würde man ihn zuerst suchen.
Ein paar Minuten später blieb er keuchend an der Haltestelle des Busses 65 A in der Ruoholahdenkatu stehen. Der Schweiß brannte ihm in den Augen. Ein Taxi kam nicht in Frage, da die Polizei möglicherweise über die Taxizentrale seine Beschreibung durchgab. Er drückte sich in die hinterste Ecke des Wartehäuschens.
In der Nähe des Einkaufszentrums von Lauttasaari stieg Lasse aus und ging das letzte Stück bis zur Taivaanvuohentiezu Fuß. Er beschleunigte seine Schritte, als ein Regentropfen auf seine Nase fiel. Jetzt konnte er schon darüber lächeln, daß er die SUPO-Leute
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