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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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nicht weit.
    Nach der gestrigen zögerlichen Haltung des Serben zum vierten Mord an einem Kommissar und nach Drinas überraschendem Tod war Horvát vorsichtig geworden. Sicherheitshalber hatte er beschlossen, Jugović enger in die Zange zu nehmen. Jetzt war ihm der Serbe vollkommen ausgeliefert: Während ihres eben zu Ende gegangenen Treffens hatte man in dessen Wohnung Geld, Fotos von den Treffen mit Jakob Reimer und aufgezeichnete Telefongespräche versteckt. Sie würden gegebenenfalls beweisen, daß Jugović »Krešatik« betrogen hatte. Horvát könnte den Serben jederzeit denunzieren. Für den Erfolg gab es zwei Regeln. Die erste lautete: »Verrate nie alles.«

37
    Ratamos Backenknochen zierte ein blauer Fleck, der so groß wie eine Pflaume war, sein linkes Augenlid und die Oberlippe waren geschwollen. Ein Wunder, daß er nicht genäht werden mußte. Der größte Teil der Schläge des Trios, das im Metrotunnel über ihn hergefallen war, hatte ihn zum Glückam Körper getroffen. Die Burana-Tabletten halfen gegen die Kopfschmerzen, die in seinen Schläfen hämmerten, aber der Körper tat ihm immer noch überall weh. Im nachhinein erwies sich der Zwischenfall als Fiasko, er hatte unschuldige und unbeteiligte Menschen attackiert. Es blieb ihm ein Rätsel, wie das sein konnte. Die drei waren nicht einmal verdutzt gewesen, als er seine Waffe zog. So verhalten sich nur Leute, die schuldig sind.
    Peter Seppäläs Tod bedrückte ihn nicht. Nach allem, was er von dem Mann wußte, war die Welt ohne Seppälä besser.
    Kurz vor sechzehn Uhr parkte Tamás Demeter seinen alten Ford auf dem Fußweg direkt vor dem Haupteingang des
Rudas fürdő
. Das Bad war vierhundert Jahre alt, man sah es der dunklen Fassade an, sie bröckelte. Die Kuppel erinnerte Ratamo an eine Moschee.
    Den Besuch im Bad hatte Demeter vorgeschlagen. Ratamo kam das sehr gelegen, und seinem mit blauen Flecken übersäten Körper auch. Laut Demeter war das Rudas ein echtes Budapester Bad, das Lieblingsbad der Einheimischen.
    Die Männer stellten sich am Ende der Kassenschlange an. Ratamo entdeckte unter den vielen Menschen im Foyer keinen einzigen Touristen. Demeter klopfte seine Pfeife am Schuhabsatz aus und zertrat die Glut auf dem Fußboden.
    Pénztár
las Ratamo auf dem Edelholzrahmen des Schalterfensters. Neugierig schaute er sich um. Der Eingang mit der Aufschrift
Gőzfürdő
links neben der Kasse wurde von einem Vorhang verdeckt. Auf der rechten Seite gelangte man in das
Kádfürdő
, was immer das auch bedeutete. Aus der Preisliste wurde er auch nicht schlauer. Seltsam, schließlich waren Finnisch und Ungarisch verwandte Sprachen. Er verstand jedoch sowohl im geschriebenen als auch im gesprochenen Ungarisch nur ein paar einzelne Worte.
    Demeter war an der Reihe, und Ratamo schien es so, als bezahlte er für das
Kádfürdő
. Beim Studium der Preislistekam er zu dem Schluß, daß er auch eine
Orvosi masszázs
erhalten würde – vermutlich eine Art Massage.
    Demeter reichte Ratamo die Quittung, deutete kurz sein herzliches Lächeln an und führte seinen Kollegen unter dem Schild
Kádfürdő
hindurch in einen kleinen Vorraum und anschließend in einen langen Flur. Die Räume wirkten sauber, aber abgenutzt. Überall schlenderten Budapester unterschiedlichen Alters umher, die sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatten.
    Sie setzten sich hin und warteten, einen Augenblick später wurden sie in zwei nebeneinander liegende, geflieste Räume geführt.
    Eine stramme Frau mittleren Alters in einem weißen Kittel fragte Ratamo etwas auf ungarisch und ließ Wasser in ein Marmorbecken laufen, das sich im Fußboden befand. Sie schien eine Antwort zu erwarten, aber als Ratamo verwirrt die Arme ausbreitete, verließ sie den Raum und warf dabei den Kopf in den Nacken. Er schlußfolgerte daraus, daß die Massage wohl später an der Reihe wäre.
    Es dauerte einen Augenblick, bis er sich in das dampfend heiße Wasser setzen konnte. Die Wärme war himmlisch, die blauen Flecke und Muskelschmerzen schmolzen im Wasser dahin, und seine Gedanken wurden glasklar.
    Plötzlich sah er vor sich, wie Peter Seppälä im Kugelregen zuckte, er öffnete die Augen. Warum hatte er auf die Beine des Killers gezielt, als der auf dem Fensterbrett hockte? Er zögerte immer, wenn er seine Waffe einsetzen mußte. Dabei konnte er schießen: Im Sommer hatte er bei einem Testschießen mit der Pistole aus zehn Metern Entfernung bei jedem Schuß die Zielscheibe getroffen. Könnte er

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