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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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bestraften.
    Sein Blick wanderte auf dem gegenüberliegenden Ufer der Donau von den steilen Hängen des Gellértberges nach rechts zum massiven Königsschloß auf dem Burgberg, zur schönen Fischerbastei und zu den zierlichen Türmen der Mathias-Kirche. Dann sah er Attila Horvát in seinem Popelinemantel. Der große Ungar wirkte plump, lief aber schnell. Anlaß für das Treffen war Drinas Tod.
    Jugović hob die Belgrader Zeitung »Vecernje Novosti« vor sein Gesicht. Auf der ersten Seite wurden fast ausschließlich die Morde an den Kommissaren behandelt. Er tat so, als würde er lesen, als sich Horvát neben ihn setzte. Ein Rollschuhläufer in Shorts wäre fast gegen die Menschenmenge geprallt, die am Ufer die ganze Straße füllte. Er bremste und fiel vor den beiden Männern auf den Hintern.
    Jugović kam sofort zur Sache. »Drina hat anscheinend doch Hinrichtungen verkauft, von denen er dem Rat der Führer nichts erzählt hat«, sagte er, wie um Entschuldigung bittend.
    »Warum, zum Teufel? Und wem?« knurrte Horvát.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe unsere Kontaktperson im NBH noch nicht erreicht. Vielleicht hat Drina vor seinem Tod der Polizei gesagt, für wen er arbeitete.« Seine Nasenflügel bebten. Das Lügen fiel ihm leicht, aber es war alles andere als leicht, den führenden Budapester Gangster zu täuschen. Möglicherweise wartete sein eigener Tod schon nach der nächsten Lüge auf ihn. Horvát schien ihm jedoch zu glauben.
    Ein zotteliger Spaniel hob vor Horvát das Bein. Der baumlange Kerl lächelte die Frau an, die ihren Hund ausführte, und entblößte seine dunklen Zähne. Die Dame zog so heftig an der Leine, daß der Hund aufjaulte, und verschwand mit ihm in der Menschenmenge auf der Uferstraße. Horvát bemerkte, daß auf beiden Ufern Hunderte Menschen standen. Was war hier los?
    »Wer hat Drina umgelegt?« fragte er in strengem Ton.
    Jugović schüttelte den Kopf und fuhr sich durch die Haare. Der Wind hatte seine Frisur ohnehin schon durcheinandergebracht. »Vielleicht hängt die Hinrichtung mit Drinas unerlaubtem Solo zusammen. Der Täter wird schon irgendwann gefunden werden.«
    Horvát knurrte zustimmend. Jugović log gekonnt. Er wunderte sich, warum der Serbe Drina gerade jetzt hatte umbringen lassen. Vielleicht fürchtete Jugović, der Halbfinne könnte dem NBH irgend etwas verraten. Auch er hätte Drina ins Jenseits befördert, wenn er in der Haut von Jugović stecken würde. Es konnte schließlich sein, daß der Halbfinne bei einem geeigneten Angebot alle möglichen Geheimnisse ausgeplaudert hätte. Horvát betrachtete seinen Kollegen verstohlen. Jugović war schmächtig, anscheinend wurden seine Muskeln nur beansprucht, wenn er einen Krampf hatte. Horvát mußte sich zusammenreißen, um nicht über seinen Einfall zu lachen.
    Allerdings fragte sich Horvát, wann Jugović den Befehl zur Tötung Drinas erteilt hatte. Schließlich wurde der Mann überwacht und abgehört. Vielleicht gab er seinen Männern Befehle durch Zeichen oder Hinweise, die niemand anders verstand. Horvát wußte, daß Jugović den Schweizer Juristen Jakob Reimer angerufen und ihm bestätigt hatte, daß der vierte Mord plangemäß ausgeführt würde. Das war das wichtigste. Alles, was den EU-Beitritt Ungarns erschwerte oder bremste, entsprach Horváts Interessen. Jugović würde er nach dem Mord an dem vierten Kommissar aus dem Weg räumen, wenn er das Honorar an sich gebracht hatte, das Reimer Jugović zahlte. Alles lief gut. Nach dem gestrigen Treffen von Jugović und Jakob Reimer hatte er schon für einen Augenblick befürchtet, der Serbe könnte mitten im Spiel aussteigen.
    Horvát schreckte vom Gebrüll der Menschenmenge an den Ufern aus seinen Gedankengängen auf. Viele zeigtenmit der Hand zum Himmel. Man hörte das Knattern eines Motors, dann tauchte ein kleines Flugzeug auf, das mit der Werbung für ein Energiegetränk bemalt war. Nachdem es die Margit híd überflogen hatte, sackte es ab, stürzte nach unten und fing sich erst ein paar Meter über der Donau wieder. Eine Kunstflugvorführung.
    Die beiden Männer unterhielten sich noch kurz über Geschäftliches. Das Gespräch stockte immer wieder, beide beobachteten den Piloten, der dem Tod die Stirn bot und mit schwankenden Flügeln unter den Brücken hindurchflog.
    »Gib Bescheid, wenn du etwas vom Maulwurf im NBH erfährst«, sagte Horvát. Er blickte auf seine Uhr und machte sich mit wehendem Mantel auf den Weg zurück in sein Büro, bis zur Váci utca war es

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